Vor ein paar Jahren war Cyberpunk 2077“ das Sinnbild für missglückte Hype-Kultur: ein riesiges Rollenspiel mit grandioser Kulisse, aber wackeliger Technik und überladenem Gameplay. Heute gilt es als Paradebeispiel für gelungene Wiedergutmachung. Die „Cyberpunk 2077: Ultimate Edition“ auf der Switch 2 ist keine abgespeckte Version. Vielmehr präsentiert sie sich als vollständige, ernstzunehmende Zukunftsvision für unterwegs und daheim.

Ein Konflikt zwischen Geist und Körper
Im Zentrum der Geschichte steht V, ein:e Söldner:in, deren Körper langsam von der digitalen Persönlichkeit des ikonischen Rockrebellen Johnny Silverhand überschrieben wird. Diese Ausgangslage ist nicht nur dramaturgisch stark, sie verankert das gesamte Spiel im Spannungsfeld zwischen Körper, Technik und Identität. Spieler:innen erkunden nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst. Dabei geraten sie immer wieder in moralische Dilemmata. Diese haben zwar nicht alle große Auswirkungen auf die Handlung, laden das Spiel aber emotional mit Tiefe auf.
Bauen, verbessern, spezialisieren – das neue Körpergefühl
„Cyberpunk 2077“ ist kein klassisches Rollenspiel im Fantasy-Sinn. Es bietet jedoch mehr Build-Tiefe als viele Genrekollegen. Fünf Attributkategorien benennen die Schwerpunkte: Reflexe, Intelligenz, Körperkraft, Coolness und Technik. Diese bestimmen, wie man V spielt. Wer in Reflexe investiert, wird zur Luft sprintenden Klingenmaschine. Wer Technik hochzieht, hackt Gegner:innen aus der Ferne oder manipuliert Fahrzeuge. Jede Kategorie schaltet eigene Skilltrees frei. Diese gehen in verzweigte Perk-Systeme über.
Charakterentwicklung geschieht dabei modular. Attributspunkte definieren den Rahmen, Perks verfeinern den Stil. Ein besonders schönes Beispiel ist der Skill, mit dem man Kugeln mit dem Katana zurückschleudern kann. Das ist spektakulär und funktional zugleich. Auch Heilung, Granaten, Fahrzeugsteuerung und Quickhacks lassen sich individuell anpassen. Cyberware ersetzt klassische Rüstung. Statt Ausrüstung zu sammeln, optimiert man den eigenen Körper mit Modulen, Implantaten und Skelett-Upgrades.

Dynamik statt Deckung
Das Spiel bietet eine offene Herangehensweise an Kämpfe. Frontal mit Schrotflinte und Klingen, taktisch mit Hacks und Fernangriffen oder schleichend mit schallgedämpften Pistolen. Die Gegner:innen agieren in Rollen. Schwere Einheiten stürmen vor, Sniper und Hacker bleiben zurück. Die KI ist nicht perfekt, aber glaubhaft genug, um Dynamik zu erzeugen. Das Fahrzeugsystem erlaubt dann sogar Kämpfe während der Fahrt. Es umfasst Bordgeschütze, Raketen und eben auch Fahrzeughacks. Wer es besonders filmreif mag, kann aus dem Auto springen, in Zeitlupe feuern und direkt landen.
Menschen im Maschinenraum
Trotz des Actionfokus ist es vor allem die Welt der Figuren, die Cyberpunk Leben einhaucht. Johnny Silverhand, mal rebellisch, mal melancholisch, ist mehr als nur ein Sidekick. Judy, Panam, Kerry und River bieten emotionale Tiefe. Ihre Geschichten gehen unter die Haut, auch wenn man den Pfad nicht völlig frei wählen kann. Dialoge sind ausgezeichnet geschrieben und nutzen selbst kleine Begegnungen, um soziale Themen wie Identität, Verlust oder Zugehörigkeit anzuschneiden.

Eine Stadt wie ein Fiebertraum
Night City ist ein stilistisches Gesamtkunstwerk. Farben, Typografie, Körpermodifikation, Werbung und Architektur wirken überzeichnet, aber nie beliebig. Besonders nachts verwandelt sich die Stadt in ein Lichtermeer aus Neon, Reflexionen und Schatten. Kleidung, Cyberware und Umgebungen erzählen Geschichten, ohne ein Wort zu sagen. Wer genau hinsieht, versteht das Spiel besser.
Musikalisch ist das Spiel nicht weniger konsequent. Radiosender liefern elektronische Subgenres, Industrial-Variationen und elektronische Balladen. Der Score wechselt zwischen kühlem Synth und emotionaler Fläche. Mal ist er aggressiv, mal kontemplativ. Auch Soundeffekte, Sprecher:innen und Umgebungsklänge sind auf hohem Niveau inszeniert. In einem Spiel, das sich stark über Atmosphäre definiert, trägt der Ton mindestens so viel wie das Bild.
Neuer Fokus, neue Grenzen
In der Ultimate Edition ist „Phantom Liberty“ direkt enthalten. Dabei handelt es sich um mehr als ein Add-on. Die Geschichte rund um das fiktive Regierungsviertel Dogtown und Agentin So Mi erzählt ein politisches Spionagedrama in einem neuen, abgeschotteten Stadtteil. Idris Elba liefert mit der Rolle von Solomon Reed eine starke Präsenz. Diese fügt sich nahtlos ins bestehende Ensemble ein. Spielerisch setzt die Erweiterung stärker auf Missionstiefe, versteckte Wege, Story-Verzweigungen und Entscheidungsfolgen. In Tonalität und Aufbau erinnert „Phantom Liberty“ eher an „Deus Ex“ als an Open-World-Blockbuster. Genau das bekommt dem Spiel gut.

Hightech aus Night City
Was CD Projekt Red hier aus der Switch 2 herausgeholt hat, ist mehr als beachtlich. Im Qualitätsmodus wird ein stabiles Bild bei 30 fps angestrebt, während der Performance-Modus sogar mit 40 fps arbeitet – auf Konsolen eher unüblich, aber im Docked-Modus mit 120-Hz-Display absolut sinnvoll. Besonders im Handheld-Modus zeigt sich die Umsetzung von ihrer besten Seite. Dank VRR läuft das Spiel großteils rund, die Bildqualität bleibt beeindruckend hoch. Dass man dabei ein tragbares Gerät in den Händen hält, vergisst man schnell. Ganz ohne Aussetzer oder Ladehänger wird man aber leider nicht auskommen, insbesondere in den Missionen in Dogtown.
Auch bei der Steuerung zeigt sich die Switch-2-Version erstaunlich vielseitig. Gyro-Zielen funktioniert präzise und lässt sich individuell konfigurieren. Maussteuerung ist ebenfalls möglich, wirkte im Test aber etwas träger, was nicht zuletzt auf die Framerate zurückzuführen ist. Für schnelle Bewegungen mit der Maus sind 60 fps einfach runder. Spannend ist dafür aber auch die Option „Motion Patterns“, bei der Aktionen wie Heilen oder Nachladen per Bewegung ausgelöst werden. Funktioniert erstaunlich gut, bleibt aber eher ein Experiment. Zusammen mit der Cross-Save-Funktion ergibt sich ein Gesamtpaket, das nicht nur technisch überzeugt, sondern „Cyberpunk 2077“ mobil auf ein ganz neues Level hebt.
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