Nicht erst seit Fernsehserien wie dem Dschungelcamp oder Bear Grylls Abenteuern in der Wildnis ist jedem bewusst, dass auch in unserer heutigen Zeit das Überleben in der Wildnis ein hartes Stück Arbeit ist. Im digitalen Zeitalter auf einer Insel ohne Werkzeuge gestrandet zu sein, wäre für den Großteil der Gesellschaft keine angenehme Erfahrung. Ein ähnliches Grundszenario zeichnet Dead in Vinland“, doch anstatt einer Riege erfolgloser C-Promis tritt eine Wikinger-Familie den Überlebenskampf an. Inwiefern dabei ein spannendes Spiel herausgekommen ist, klärt unser Review.

Lost
Der Nordmann Eirik scheint in seinem Dorf nicht sonderlich beliebt zu sein, anders lässt sich ein Angriff auf ihn und seine Familie nicht erklären. Von einem namenlosen Freund gewarnt, kann Eirik mit seiner Familie dem wütenden Mob auf einem gestohlenen Schiff entkommen. Nach einigen Tagen zielloser Irrfahrt zerstört ein Sturm das Schiff und die Familie strandet auf einer scheinbar unbewohnten Insel. Eirik, seine Frau Blodeuwedd, ihre Schwester Moira und Eiriks Tochter Kari müssen nun zusammenarbeiten, um sich eine neue Heimat aufzubauen. Als wäre die Lebenssituation zum Start der Handlung nicht schon dramatisch genug, stellt sich schnell heraus, dass die Insel nicht unbewohnt ist. Der Warlord Björn und seine Soldaten kontrollieren die Insel und nach einem kurzen Kampf zwingen sie die Familie zu Tributzahlungen.
Eine schrecklich nette Familie
Die Rahmenhandlung fokussiert sich auf das Verhältnis zwischen den Figuren und erzählt in eingestreuten Dialogen den täglichen Kampf um das Überleben und die daraus resultierenden Konflikte. Auch wenn die Texte gelegentlich nicht dem Setting angemessen sind und eher wie eine Mischung aus zeitgenössischem Slang und Wikinger-Klischees wirken, baut der Spieler schnell eine Bindung zu den Hauptfiguren auf. Allerdings sind die Dialoge nicht vertont, wodurch nicht das volle Potential ausgeschöpft wurde. Weitere Überlebende bringen zusätzliche Dynamik in das Geschehen und bilden ein solides Fundament für die Survival Elemente von „Dead in Vinland“

Exceltabelle: Das Spiel
Der Tagesablauf der Familie ist in drei Phasen unterteilt. Während des Vor- und Nachmittags werden verschiedene Aufgaben wie das Sammeln von Holz oder die Erkundung der Insel unternommen. Vor Beginn der Aktivitäten weist der Spieler jedem der Familienmitglieder eine Aufgabe zu. Auf Grundlage zahlreicher Charakterwerte wird nun der Erfolg dieser Aufgaben ermittelt. Ein hoher Sammelwert erhöht die Anzahl von gesammelten Holzscheiten, während ein geschickter Charakter besonders dazu geeignet ist, handwerkliche Aufgaben zu übernehmen. Neben den Aufgaben im Lager der Familie wird die Karte der unbekannten Insel durch die Erkundung immer weiter aufgedeckt. Über die Erkundung wird der Spieler mit zufälligen Ereignissen konfrontiert, etwa der Möglichkeit, zusätzliche Kleidung aus einem Lager zu stehlen oder besondere Ressourcen zu erlangen. Auch hier ist der Erfolg durch begrenzte Aktionspunkte und den verschiedenen Statuswerten abhängig.
Nach getaner Arbeit bereitet sich die Familie auf die Nacht vor und der Spieler sorgt für eine hoffentlich angemessene Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln. Jede Handlung hat Auswirkung auf die Charakterwerte der Figuren. Harte Arbeit erschöpft die Familienmitglieder, während Hunger und Durst nicht nur die Gesundheit gefährden, sondern sich auch auf den Gemütszustand der Figuren auswirken und mögliche Depressionen schüren. Steigt ein Wert auf den Maximalwert an, stirbt die entsprechende Figur und das Spiel ist beendet. Doch nicht nur langfristige Folgen werden durch Mangelerscheinungen befeuert, sondern auch kurzfristige Probleme wie ein gebrochener Fuß schwächen die Figuren und senken ihre Werte.
Kopf oder Zahl?
Die Übersicht und das Management der Familienmitglieder legt zwar kein hohes Tempo vor, doch jede Entscheidung will mit Bedacht gewählt sein, da die Folgen fatal sein könnten. Über die verschachtelten Menüs werden die zahlreichen Werte im Auge behalten und die Aufgabenverteilung immer wieder neu angepasst. Auch wenn das Tutorial zunächst die grundlegenden Mechaniken erläutert, ist nicht immer ersichtlich, welche Folgen eine Handlung haben kann oder wie die Werte mit den Aufgaben zusammenhängen. „Dead in Vinland“ erfordert dadurch zunächst eine gehörige Portion Einarbeitungszeit, bis sich der Spielspaß einstellt. Negativ fällt jedoch der teils frustrierende Anteil von nicht nachvollziehbaren Zufallsentscheidungen auf.
Auch wenn die Entscheidungen auf den Werten jeder Figur beruhen, fallen die Würfel im Spielverlauf gelegentlich äußerst ungünstig. Obwohl die Zahlen einen ausreichenden Wert für einen Erfolg suggerieren, erleidet der Spieler einen Fehlschlag. Die Konsequenzen können den Spielstand im schlimmsten Fall zum Scheitern verurteilen. In die gleiche Kerbe schlagen nicht steuerbare Gespräche. Zum einen kann der Spieler durch geschickte Entscheidungen die Beziehung der Figuren zu seinen Gunsten beeinflussen, doch gibt es Gespräche, in denen die Figuren ohne Einflussmöglichkeit agieren und die Beziehungen sich verschlechtern und die Vorarbeit zunichte machen. Mit Blick auf die teils dramatischen Konsequenzen wird dem Spieler unnötig die Kontrolle entzogen, in einem Spiel das ohnehin einen hohen Anteil von zufälligen und nicht steuerbaren Ereignissen hat. Der teils drastische Schwierigkeitsgrad beißt sich auch mit der Geschichte, die„ Dead in Vinland“ erzählen möchte. Die Bindung zu den Figuren motiviert sich in das trockene Gameplay einzuarbeiten und liefert überhaupt erst das Fundament, damit das Überleben der Charaktere überhaupt eine Relevanz besitzt. Durch die teils frustrierenden Spielabbrüche wird nicht nur der Fluss der Geschichte verlangsamt, sondern es müssen auch die immer gleichen Dialoge abgespult werden, was auf Dauer ermüdend wirkt.

Abgespeckte Rundenkämpfe
Neben dem Management der diversen Gameplay-Elemente streut der Titel immer wieder Kämpfe zur Auflockerung des Spielflusses ein. Während der Erkundung der Insel treffen die Überlebenden auf die Handlanger Björns, die in 3vs3 Kämpfen bezwungen werden müssen. Jeder der Überlebenden verfügt über spezifische Talente, die im Kampf Vorteile verschaffen. Während Eirik ein universell einsetzbarer Kämpfer ist und als Schadensausteiler oder Tank der Gruppe fungieren kann, ist Moira mit unterstützenden Zaubern ausgestattet und Tochter Kari agiert als flinke Bogenschützin. Eine taktische Note wird durch zwei Ebenen erreicht, auf denen die Kämpfer agieren können. Positioniert der Spieler seine Fernkämpfer hinter den Nahkämpfern, sind sie nicht in Reichweite der Gegner und richten mehr Schaden an. Verschiedene Angriffe ändern die Position der gegnerischen oder eigenen Spielfigur. Abseits dieser Mechanik laufen die Kämpfe genretypisch ab, bieten jedoch aufgrund beschränkter Ausbau und Anpassungsmöglichkeiten der Figuren und der geringen Teilnehmerzahlen nur ein begrenztes Maß an Tiefgang und fühlen sich wie eine sekundäre Gameplay-Mechanik an. Der Einfluss der Kämpfe darf jedoch nicht unterschätzt werden, da die Überlebenden bleibende Schäden davontragen können, die jeden weiteren Tag erschweren.
Wie ein echter Wikinger
In der Switch-Version sind zwei DLCs enthalten, die das Hauptspiel um einige Kniffe erweitert. Zum einen lässt sich ein Hundebegleiter freischalten, der nicht nur zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten freischaltet, sondern die Familie auch tatkräftig unterstützt. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf dem Endlosmodus, in dem ohne Speicherpunkte und Geschichte ein möglichst langer Zeitraum durchgehalten werden muss. Ohne den Einfluss der Geschichte hat dieser Modus nicht mit den Pacing-Problemen des Grundspiels zu kämpfen, ist dafür aber auch schonungslos brutal. Für Anfänger ohne Einarbeitungszeit ist der Modus daher nicht geeignet, doch wem das Grundspiel zu leicht war, der erhält dort die nötige Herausforderung.

Überhaupt nicht steinzeitlich
Technisch erlaubt sich „Dead in Vinland“ keine größeren Schnitzer. Die Ladezeiten sind angebracht und die zurückhaltende Inszenierung und eingeschränkte Bewegung auf dem Bildschirm sorgt für wenige Probleme. Auch eine konstante Bildrate ist gegeben. Bei der Steuerung sind jedoch leichte Mängel zu beobachten, da es unhandlich ist, lediglich mit zwei Knöpfen durch die zahlreichen Menüs und ihre Unterbauten zu manövrieren. Aufgrund des gemächlichen Spieltempos wiegen diese Probleme jedoch nicht schwer. Der Soundtrack bleibt reduziert, stört dabei jedoch nicht während der langen Planungsphasen und ist damit eine angenehme Hintergrundbeschallung.
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