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Fantasy Life i: Die Zeitdiebin

von

Marco Lipke

Als 2014 hierzulande auf dem Nintendo 3DS ein eher ungewöhnlicher Genremix aus Rollenspiel, Lebenssimulation und Crafting erschien, ahnte kaum jemand, wie langlebig die Faszination von Fantasy Life“ sein würde. Das Spiel gewann schnell eine kleine, aber loyale Fangemeinde, die vor allem den charmanten Ton, das entspannte Tempo und das originelle Klassensystem schätzte. Nach einem kurzen Ausflug auf Smartphones blieb es lange still um die Marke. Über zehn Jahre später folgt nun endlich ein echter Nachfolger – größer, offener und umfangreicher. „Fantasy Life i: Die Zeitdiebin“ bleibt dem Kern treu, erfindet sich aber auf moderne Weise neu. Das Ergebnis ist ein Slow-Life-RPG, das sich bewusst gegen Hektik und Überreizung stellt und dafür belohnt, wenn man sich darauf einlässt.

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Zurück in die Zukunft

Alles beginnt mit einer wissenschaftlichen Schnapsidee: Archäologe Edward folgt gemeinsam mit der eigenen Spielfigur und dem sprechenden Vogel Tripp dem Leuchten eines alten Fossils auf eine abgelegene Insel. Kurz nach der Ankunft erscheint ein Dunkeldrache am Himmel, das Fossil erwacht zum Leben und entpuppt sich als Knochendrache, der durch ein grelles Portal verschwindet. Die Truppe um den Archäologen folgt dem Drachen durch das Portal und findet sich in einer anderen Zeit wieder, begegnet dem Mädchen Rem, ihrem Bruder Ranoa und dem Drachenjungtier Grum. Die Geschichte verzichtet auf große Knalleffekte und setzt stattdessen auf quirlige Charaktere und kleine Mosaikstücke, die sich nach und nach zu einem stimmigen Gesamtbild zusammensetzen.

Leben über Leben

Das Herzstück des Spiels ist das sogenannte „Leben“-System – und das ist wörtlich zu nehmen. Vierzehn verschiedene Leben stehen zur Wahl, von klassischen Rollen wie Söldner oder Paladin bis hin zu friedlichen Pfaden wie Koch, Angler oder Schneider. Der Clou: Man kann jederzeit wechseln. Wer gerade noch Monster bekämpft hat, kann im nächsten Moment in der Werkstatt stehen oder auf dem Feld die nächste Ernte einfahren.

Diese Freiheit wäre wenig wert, wenn sie nicht durchdacht verzahnt wäre. Viele Leben greifen aufeinander zurück. Die Fänge des Anglers landen beim Koch, die Erze des Bergarbeiters wandern in die Schmiede. Zusätzlich verfügt jedes Leben über ein eigenes Fähigkeitenboard. Wer darin investiert, lernt nicht nur neue Techniken, sondern auch komplett neue Fähigkeiten und verbessert die einzelnen Attribute der Leben, die dann spätere Aktionen zielgerichteter und geschickter machen. Das motiviert, nicht nur bei einem Leben zu bleiben, sondern gezielt mehrere Pfade auszuprobieren.

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Ein Kontinent wie gemacht fürs Abenteuer

Nach dem Auftakt auf der Insel beginnt das eigentliche Spiel erst so richtig auf Gigantien, einem weitläufigen Kontinent mit offenen Strukturen, abwechslungsreichen Biomen und jeder Menge Platz, sich zu verlieren. Wie in „Breath of the Wild“ gibt es keine feste Route, keine klaren Wegmarken, denen man folgen muss. Stattdessen entstehen viele Routen und Abenteuer aus dem Moment heraus.

Wer lieber etwas zackiger reist, kann auf Mounts zurückgreifen, die sich auf der Oberwelt per Knopfdruck rufen lassen. Das spart Zeit, besonders auf bekannten Pfaden. Einschränkungen gibt es leider trotzdem: Die Reittiere ermöglichen weder höhere Sprünge noch Klettereinlagen oder direkte Interaktion mit der Umgebung. Wer sich wirklich umsehen will, muss früher oder später wieder selbst zu Fuß losziehen.

Von Türmen und Dungeons

Strukturiert wird die Erkundung durch Türme. Nach ihrer Aktivierung werden große Teile der jeweiligen Region auf der Karte sichtbar – die gängigen Open World-Konventionen lassen grüßen. Wer aufmerksam bleibt, entdeckt in der Nähe außerdem Blattlinge. Das sind kleine, versteckte Wesen, die sich unter der Erde verbergen. Ihre Blattkronen ragen aus dem Boden und lassen sich per Knopfdruck ausgraben. Hat man alle gefunden, wartet eine Belohnung am nächsten Turm.

Daneben gibt es auf dem Kontinent Schreine mit kleineren Prüfungen. Wer sie abschließt, erhält jeweils einen Ulkling. Dabei handelt es sich um verzauberte Inselbewohner, die sich in menschlicher Form zurückverwandelt dem Stützpunkt anschließen und sogar das aktive Team ergänzen können. Wer dem Fertigungsleben folgt, kann außerdem legendäre Rezepte entdecken, mit denen sich seltene Ausrüstung herstellen lässt.

Auch auf der Heimatbasis passiert mehr, als man anfangs denkt. Zu Beginn liegt das Gelände noch unter Geröll begraben, doch nach und nach lässt es sich freiräumen, gestalten und schließlich mit Gebäuden, Wegen und Dekorationen zur eigenen kleinen Stadt ausbauen. Wer will, macht daraus nicht nur einen funktionalen Stützpunkt, sondern einen individuell eingerichteten Wohlfühlort. Mit einem sogenannten Irrsetzling lässt sich dort außerdem ein Dungeon anpflanzen, der bei jedem Besuch neu aufgebaut wird. Gegner, Wege und Belohnungen variieren. Wer sich der Herausforderung stellt, kann seltene Ressourcen sammeln oder den Dungeon im Koop-Modus gemeinsam bestreiten.

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Nicht alles glänzt

So rund das Grundgerüst wirkt, es gibt Ecken, die nicht ganz passen. Das Kampfsystem erfüllt seinen Zweck, bleibt aber schlicht. Angriffskombinationen, Gegnerverhalten, Trefferfeedback: alles wirkt etwas zurückhaltend. Gerade im späteren Spielverlauf fehlt es an Tiefe und Entwicklung, was selbst das Fähigkeitenboard nicht komplett ausgleichen kann.

Auch der Online-Modus enttäuscht gewissermaßen. Die Sitzungen sind zeitlich begrenzt, Fortschritte in den Storyquests werden nicht gespeichert, und echte Zusammenarbeit kommt nach den ersten Patches nur in den Quests der Leben zustande, die allesamt eher simpel im Aufbau sind. Dazu kommen kleinere Schwächen wie wiederholte Sprachsamples oder das fehlende Haustiersystem, das Fans des Vorgängers vermissen dürften. Auf einige der größten Mankos reagierte das Studio bereits zügig mit Nachbesserungen. Es bleibt zu hoffen, dass auch der Online-Modus künftig weiter verbessert wird.

Feinschliff fürs Zeitreisen

Technisch zeigt sich „Fantasy Life i: Die Zeitdiebin“ auf der Switch 2 spürbar verbessert. Ladezeiten fallen deutlich kürzer aus, die Grafik wirkt schärfer und das Spiel läuft nun mit konstanten 60 fps – ein Gewinn für das ohnehin ruhige, aber nicht langweilige Tempo des Spiels. Bewegungen wirken geschmeidiger, Menüs reagieren schneller, und auch die Umgebung profitiert von der höheren Auflösung, die nun nicht mehr so verwaschen erscheint wie noch auf der ersten Switch. Wer das Upgrade-Paket für einen kleinen Aufpreis erwirbt oder direkt zur neuen Switch 2-Edition greift, erhält damit eine technisch modernisierte Fassung.

Ganz makellos ist der Eindruck dennoch nicht. Im direkten Vergleich mit der PC-Version auf dem Steam Deck werden Unterschiede sichtbar. Besonders in weiten Landschaften wie auf dem Kontinent Gigantien fällt auf, dass Objekte in der Ferne erst spät laden und plötzlich auftauchen. Auch die Kantenglättung erreicht nicht ganz das erwartete Niveau – an vielen Kanten und Objekten zeigen sich weiterhin Treppeneffekte. Der Fortschritt gegenüber der ursprünglichen Switch-Fassung ist dennoch unbestreitbar, wenn auch nicht ohne kleine Einschränkungen.

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Unsere Wertung

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Fazit

Fantasy Life i: Die Zeitdiebin“ ist ein Spiel, das man nicht in Eile erfassen kann. Es nimmt sich Zeit und verlangt genau das auch von den Spieler:innen. Wer sich darauf einlässt, bekommt ein erstaunlich tiefes und angenehm ruhiges Abenteuer, das mit jedem neuen Leben neue Spielmechaniken eröffnet. Der Umfang platzt an vielen Stellen aus allen Nähten und mit Gigantien steht ein Kontinent bereit, der so viel zu bieten hat, dass er fast wie ein eigenes Spiel wirkt. Gerade das macht diesen Titel zu einem der lohnendsten Rollenspiele der letzten Jahre und macht dem Genre Slow-Life-RPG alle Ehre. Wer die Wahl hat, sollte unbedingt zur Switch 2-Version greifen – die technischen Verbesserungen machen das Erlebnis deutlich runder.