
Gerichtsprozesse und Anwälte – das klingt eigentlich eher trocken und ungeeignet für ein Videospiel. Und dennoch begeistert die Ace Attorney“-Reihe rund um den Anwalt Phoenix Wright seit nunmehr mehr als 15 Jahren mit packenden Geschichten und einzigartigen Charakteren immer wieder aufs Neue. Mit „Phoenix Wright: Ace Attorney – Spirit of Justice“ ist kürzlich der sechste Teil der Reihe erschienen. Wir klären die Frage, ob die Formel der Reihe noch immer funktioniert oder sich erste Abnutzungserscheinungen zeigen.
Schauplatzwechsel: Willkommen in Khura‘in
In „Spirit of Justice“ kommt es endlich zu dem Wiedersehen, auf das Fans schon so lange warten. Phoenix reist in das fiktive Land Khura'in, um sich dort mit seiner alten Partnerin Maya Fey zu treffen. Doch bevor es überhaupt zu der Zusammenkunft der beiden Freunde kommt, gerät Phoenix in Schwierigkeiten und landet im Gerichtssaal. Dort muss er sich schnell mit den Eigenarten des Justizsystems von Khura’in anfreunden, denn nichts Geringeres als sein Leben steht auf dem Spiel. In Khura’in sind Anwälte so verhasst, dass man ein Gesetz einführte, das den Strafverteidigern dieselbe Strafe zukommen lässt wie ihren verurteilten Mandanten. Als Folge ist der Beruf des Anwalts in Khura’in praktisch ausgestorben. Die Angeklagten werden ohne Verteidigung verurteilt. Man verlässt sich einzig auf die „Divination Séances“, ein Prozedere das von der jungen Priesterin und zukünftigen Königin Rayfa Padma Khura'in durchgeführt wird. Durch ihr Ritual kann sie die letzten Momente des Opfers durchleben.
Doch Phoenix Wright wäre nicht Phoenix Wright, wenn er nicht schnell feststellen würde, dass diese Botschaften aus dem Jenseits auch falsch interpretiert werden können. Währenddessen halten Apollo Justice und Athena Cykes in Los Angeles die Stellung in der Wright Anything Agency, nur um selbst in einer Krise zu laden. Die Geschichte ist wieder mit vielerlei Wendungen und Überraschungen gespickt und die Zusammenkunft zwischen Phoenix und Maya ist nicht die einzige Begegnung, auf die ihr euch freuen dürft. Fans der Reihe können auf Wiedersehen mit vielen alten Gesichtern gespannt sein, die mal größer, mal kleiner ausfallen.

Wo ist der Widerspruch?
Trotz des neuen Schauplatzes und seiner Bedingungen unterscheidet sich der Spielablauf in „Spirit of Justice“ nur geringfügig von den vorherigen Spielen. Im Gerichtssaal muss man die Aussagen der Zeugen im Kreuzverhör systematisch auseinandernehmen und durch geschicktes Einsetzen von Beweisen Widersprüche aufdecken, bis die große Lüge wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Besagte Beweise beschafft man sich, indem man vorab die Tatorte untersucht. In Point & Click-Manier macht man seine Lupen-Arbeit, während man mit den Ermittlern spricht und ihnen neue Informationen entlockt.
Die letzten Minuten des Opfers
Dank der besonderen und einzigartigen Fähigkeiten der Figuren sind die Fälle weitaus weniger trocken als noch in den allerersten „Ace Attorney“-Spielen. Phoenix nutzt seine spirituellen Magatamas, japanische Perlen, um bei den Ermittlungen Lügen aufzudecken. Mit den passenden Beweisen und Antworten auf offene Fragen lassen sich die Ketten sprengen, um die Wahrheit zu entschlüsseln. Apollos Armreif reagiert hingegen, wenn sich ein Zeuge die Wahrheit zurechtbiegt und durch auffälliges Verhalten auf sich aufmerksam macht. Auch Athenas „Mood Matrix“ aus dem letzten Teil „Dual Destinies“ steht wieder bereit. Athena kann widersprüchliche Emotionen auf verschiedene Ereignisse aufdecken. Wer sich über den Tod von jemanden freut, katapultiert sich automatisch in den Kreis der Verdächtigen.
„Spirit of Justice“ führt mit der „Divination Séances“ aber auch ein eigenes Ermittlungswerkzeug ein. In den bereits erwähnten Visionen erlebt man die letzten Momente des Opfers noch einmal mit allen fünf Sinnen. Auch hier gilt es die Widersprüche ausfindig zu machen und somit die Wahrheit ans Licht zu bringen. Das System wird clever eingesetzt und ist eine echte Bereicherung. Beispielsweise hört man das Lied eines Rituals, welches eigentlich erst nach dem Tod des Opfers stattgefunden haben soll. Was zunächst noch simpel ist, führt im weiteren Spielverlauf zu wirklich verzwickten Rätseln. Schafft man es aber diese zu entschlüsseln, hat das eine umso befriedigendere Wirkung.

Abgedreht, ulkig und überzogen – und dennoch liebenswert
Und auch wenn die Fälle wieder blutrünstig und grausam wie eh und je sind, kann „Spirit of Justice“ die angespannte Atmosphäre immer wieder durch seine abstrusen Situationen aufbrechen. Dennoch gilt, dass man den Humor von „Ace Attorney“ schon immer mögen musste. Kein Charakter kommt ohne eine schrullige Angewohnheit aus, die absichtlich überzeichnet und überdreht dargestellt wird. Dass man auch schon einen Papageien vor Gericht befragte, ist für die „Ace Attorney“-Reihe mit der Zeit gänzlich normal geworden. „Spirit of Justice“ macht hier keine Ausnahme und legt gefühlt sogar noch einen drauf. Ein betrunkener Koch, der sich liebevoll im Gerichtssaal übergeben muss, stellt wohl mein persönliches Highlight dar. Doch auch die Monologe der Hauptfiguren in Angesicht der schier abstrusen Situationen wissen zu unterhalten. Egal wie exzentrisch oder auch bösartig die Figuren sind: Dank ihrer einzigartigen Ticks kann man ihnen trotzdem immer etwas abgewinnen. Ob man der Typ für diese Art von Humor ist, muss jeder selbst entscheiden. Selbiges gilt für die langen Textpassagen, von denen die „Ace Attorney“-Reihe lebt. Wer lesefaul ist und sein Schul-Englisch schon lange nicht mehr genutzt hat, wird wohl auch mit „Spirit of Justice“ nicht recht warm werden.
So hübsch wie nie zuvor
Mit „Spirit of Justice“ macht die „Ace Attorney“-Reihe nach dem bereits gelungenen „Dual Destinies“ auch technisch wieder deutliche Fortschritte. Die 3D-Modelle der Charaktere sind nun noch gelungener als im Vorgänger und die liebevollen Animationen passen zu den Charakteristiken der Figuren wie die Faust aufs Auge. Auch die Zwischensequenzen haben ein Upgrade erhalten und stehen nun denen eines „Fire Emblems“ in nichts nach und gehören zu dem Besten, was man auf dem 3DS zu sehen bekommt. Durch zusätzliche Soundeffekte, wie beispielsweise dem anfeuernden Mob im Gerichtssaal, wird die Atmosphäre noch dichter. Auch der Soundtrack ist eingängig wie eh und je und treibt den Spieler und die Atmosphäre in den entsprechenden Momenten zusätzlich an. Fans der ersten Stunde dürfen sich auf alte Songs freuen, die überarbeitet wurden. Genauso gibt es aber neue Musikstücke, die den alten Klassikern nur in wenig nachstehen. Ein Highlight: Das Lied und der damit verbundene Tanz von Prinzessin Rayfa fesseln durch ein hervorragendes Zusammenspiel aus Animation und Musik mehrere Minuten lang an den Bildschirm.

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