Der Videospiel-Markt wächst seit Jahren unaufhaltsam und fährt immer wieder neue Rekordgewinne ein, doch deutsche Entwickler haben es lange Zeit versäumt, rechtzeitig auf den Zug aufzuspringen. Erst seit einigen Jahren gelangen Spiele Made in Germany wie Anno 2070“ oder „Crysis 2“ auf den Radar internationaler Gamer. Grund genug, einen eigenen Preis für die deutsche Videospiel-Branche zu schaffen. Am vergangenen Donnerstag, dem 26. April 2012, war es wieder soweit: Zum vierten Mal wurde der Deutsche Computerspielpreis an die Besten der Branche vergeben und auch der Lara-Award hat neue Besitzer gefunden. Wir waren für euch vor Ort in Berlin und haben das Spektakel live verfolgt. Was hatte der Abend neben Glamour, Mario und der politischen „Crysis 2“-Debatte noch zu bieten? Hier erfahrt ihr mehr!

Die Moderatoren Klaas Heufer-Umlauf und Jeannine Michaelsen führten die Gäste durch den Abend © Deutscher Computerspielpreis 2012 / Fabian Matzerath
Eine einzigartige Atmosphäre für einen einzigartigen Preis
Nachdem die letztjährigen Gewinner in München gekürt wurden, war dieses Jahr das Umspannwerk nahe dem Alexanderplatz in Berlin der Ort des Geschehens. Schnell wurde dabei deutlich, dass es sich nicht um eine beliebige Veranstaltung handelte – allein der Eingangsbereich versprühte durch stilechtes Videospiel-Grafitti und einen roten Teppich einen Hauch von Glamour, der irgendwo zwischen Hollywood und gamescom-Attitüde angesiedelt war.
Nicht minder beeindruckend ging es im Inneren des ehemaligen Umspannwerks weiter, wo sich Cosplayer und Anzugträger zwischen alten Sicherungskästen und rustikalen Wänden die Klinke in die Hand gaben. Eine Armada von Kellnern und Barkeepern versorgte die Anwesenden, unter denen sich neben Nominierten auch Jurymitglieder und Pressevertreter befanden, mit Wein, Orangensaft und anderen Getränken.
Besser spät als nie
Als die blaue Beleuchtung im Saal für die beginnende Show gedimmt wurde, kehrte bedächtiges Schweigen in den Reihen der Zuschauer ein. Die Eröffnung entschädigte dann auch für den etwas verspäteten Start. Zum treibenden Thema von „Mortal Kombat“ wurde die Bühne von Mario, Pac-Man, Sonic und Ryu gestürmt, die mit ihren Breakdance-Künsten Eindruck schindeten und unmissverständlich klarmachten: Das hier wird keine langweilige und prätentiöse Preisverleihung!
In den folgenden zweieinhalb Stunden führten Jeannine Michaelsen und Klaas Heufer-Umlauf mit viel Witz und Charme durch den Abend, während die Preisvergabe immer wieder von Videobeiträgen, aufschlussreichen Reden sowie unterschiedlichen Laudatoren aufgelockert wurde. Zu letzteren zählten unter anderem die „GameOne“-Jungs Simon, Eddy und Nils, die kurzerhand für eine Überraschung sorgten, als sie das Fehlen ihres Kollegen Budi erklärten: Der 28-Jährige wurde vor wenigen Tagen Vater und könne deshalb nicht anwesend sein. Der Applaus des Publikums folgte prompt. Für Spaß sorgte auch „Fanta Vier“-Smudo, der mit „Portal 2“-Zitaten viele Lacher ernten konnte und einmal mehr unter Beweis stellte, dass er ein passionierter Gamer ist. Für die musikalische Untermalung sorgte die Gewinnerin von Voice of Germany, Ivy Quainoo, und ihre musikalischen Ziehväter von „The Bosshoss“.

Die Flying Steps erweckten die Gamesfiguren zum Leben © Deutscher Computerspielpreis 2012 / Fabian Matzerath
„Crysis 2“ - ein Videospiel wird zum Politikum
Bereits im Vorfeld der Preisverleihung sorgte eine Äußerung vom Sprecher der Unionsfraktion für Kultur- und Medienpolitik, Wolfgang Börnsen, für Proteststürme. Der CDU-Politiker hielt die Nominierung eines „Killerspiels“ (gemeint war „Crysis 2“) für „unvertretbar“ und stehe in letzter Konsequenz „einer Neubesetzung der Jury offen gegenüber“. Börnsen untergrub damit nicht nur die Integrität der Jury, die sich aus Vertretern der Branche, Jugendschützern, Pädagogen, Forschern und Journalisten zusammensetzte, sondern stand mit seiner Äußerung auch im Kreuzfeuer der Kritik von Opposition, Verbänden und Verantwortlichen der Veranstaltung. Auch innerparteilich wurden Stimmen laut, die sich gegen die Äußerung des Sprechers richteten. Der CDU-Netzverein CNetz kritisierte, „dass allein seine Sprachwahl von einer groben Unkenntnis in der Sache zeuge.“
Nicht zuletzt deshalb wurde der Auftritt Börnsens während der Preisverleihung mit Spannung erwartet. Sichtlich angespannt betrat der Sprecher für Kultur- und Medienpolitik die Bühne und versuchte, die Wogen zu glätten. Die von ihm zuletzt so heftig kritisierte Jury hob er plötzlich lobend hervor: „Wir haben eine unabhängige Jury und das ist gut so“, sagte er während seiner Rede. Die Videospielbranche sei auf einem guten Weg und verfüge über einen starken Nachwuchs, der durch eine Stiftung weiter gefördert werden müsse. Im Licht seiner vorherigen Äußerungen schienen viele dieser Aussagen über das „Leitmedium Videospiel“ jedoch zweifelhaft. Zudem versäumte es Börnsen während seiner Rede, einen klaren Standpunkt zur Nominierung von „Crysis 2“ zu beziehen.
Der Oscar der Videospiele?
Wo steht der Deutsche Computerspielpreis nach vier Jahren? Nach wie vor genießt die Auszeichnung einen eher ambivalenten Ruf. Böse Zungen stellen häufig die Kompetenz und Unabhängigkeit der Jury infrage, während Befürworter von einem wichtigen Meilenstein der deutschen Videospiel-Industrie sprechen. Fest steht: Der DCP hat sich im Business etabliert. Dennoch müssen die nächsten Jahre Fortschritte in Sachen Organisation, Nominierung und Ausführung bringen. Als Branchentreff mag die Veranstaltung ein voller Erfolg gewesen sein, doch muss sich das nach wie vor stiefmütterlich behandelte Medium Videospiele auch nach außen hin mehr öffnen. Klischees müssen gebrochen, Außenstehende informiert und die Spielelandschaft farbenfroher werden. Gerade Nintendo hat jedoch in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass sich das Image der schönsten Nebensache der Welt kontinuierlich zum Positiven verändert hat. Es wird noch ein weiter Weg, bis Videospiele in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Prestigeträchtige Veranstaltungen wie der Deutsche Computerspielpreis tragen jedoch ihren unverzichtbaren Teil dazu bei, dass eigentlich längst überholte Begriffe wie „Killerspiel“ bald obsolet sind und Gamer nicht mehr mit einem abschätzigen Blick bedacht werden.

Die Kunsthalle Bremen freute sich sehr über den Preis "Bestes Serious Game 2012" © Deutscher Computerspielpreis 2012 / Fabian Matzerath
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