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Vor einiger Zeit besprachen wir bei Nintendo-Online nicht nur Videospiele und dazugehörige Hardware sondern auch Bücher. In den letzten Jahren
ist dies jedoch etwas zurückgegangen. Nun wollen wir mit ein paar
Sachbuch-Reviews aufwarten. Los geht's mit Game Over“ von David Sheff.



Der lange Untertitel des Buches ist Programm: „How Nintendo Zapped an
American Industry, Captured Your Dollars, and Enslaved Your Children“,
zu Deutsch etwa: „Wie Nintendo eine amerikanische Industrie eroberte,
dein Geld erbeutete und deine Kinder versklavte“. Das Buch erschien
1993, weshalb der Name vermuten lässt, es handle sich um eine kritische
Herabwürdigung des Einflusses von Videospielen. Doch der Schein trügt:
„Game Over“ beschäftigt sich überraschend neutral mit der Geschichte von
Nintendo und zeichnet den Werdegang des Konzerns detailliert nach.
Unter Videospiel-Historikern gilt es als das beste Werk über die
Geschichte von Nintendo. Doch was ist daran dran?

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Eine Reise durch die Geschichte von Nintendo

Sheff möchte mit seinem Buch beleuchten, wie Nintendo den amerikanischen
Videospielmarkt derart erobern konnte – immerhin kontrollierte Nintendo
Ende der 1980er Jahre fast die gesamte Industrie und Super Mario genoss
einen höheren Bekanntheitsgrad als Micky Maus. So hat es sich Sheff zur
Aufgabe gemacht, die Gründe für Nintendos Dominanz herauszufiltern.
Dabei entstand auf über 400 Seiten das detaillierteste Werk über die
Geschichte von Nintendo. Im Vorwort klingt es noch so, als wolle Sheff
Nintendo und die Videospielindustrie im Allgemeinen kritisieren. Im
restlichen Buch dringt dies aber kaum noch durch.



Sheff beginnt mit der Gründung von Nintendo 1889 und behandelt kurz das
Wenige, das man über Nintendo als Spielkartenhersteller in den folgenden
Jahrzehnten weiß. Danach geht es richtig los. Sheff erklärt, wie sich
Nintendo unter Hiroshi Yamauchis Leitung vom Spielkartenhersteller zum
Krimskrams-Unternehmen, schließlich zum Spielzeug- und zuletzt zum
Videospielkonzern mauserte. Der große Wendepunkt innerhalb des Buches
ist dabei 1981, als „Donkey Kong“ seinen Weg in die Spielhallen findet
und Nintendo in Amerika Fuß fassen lässt.



Denn der Großteil des Buches befasst sich mit der Geschichte von
Nintendo in Amerika vom Anfang der 1980er bis zum Anfang der 1990er
Jahre. Mit dabei sind die Familienumstände der Nintendo-Manager, die
vielen Versuche, in Amerika seine Marktstellung auszuweiten und mit dem
NES einen totgeglaubten Markt wiederzubeleben, der plötzliche
Siegesrausch und daraus bedingt auch Schattenseiten, wie Kritik an der
Allmachtstellung Nintendos sowie an der Gewalttätigkeit in Videospielen.
Am meisten Augenmerk kommt dabei dem NES zu, doch auch der Game Boy
wird nicht ignoriert. Sheff beschreibt beispielsweise ausführlich, was
für ein langwieriger Prozess dahinter steckte, die Lizenz an „Tetris“ zu
sichern.


Interessant wie unterhaltsam

Der ausführliche Part über „Tetris“ ist auch der einzige, der im Buch
langatmig ist. Sheff versteht es nämlich als bekannter amerikanischer
Journalist und Autor, trocken klingende Begebenheiten interessant zu
präsentieren. „Game Over“ ist angenehm zu lesen und mit unzähligen
lustigen Anekdoten gefüllt.



Unterhaltung ist aber glücklicherweise nicht die einzige journalistische
Qualität, die das Buch auszeichnet. Die Grundlage des Buches stellt
eine zweijährige Recherche mit ausführlichen Interviews wichtiger
Persönlichkeiten der Spieleindustrie dar. Dies ermöglichte Sheff, vieles
über die Geschichte von Nintendo zu offenbaren, was man damals gar
nicht wusste. Kein Wunder, dass „Game Over“ die wichtigste Quelle für
die Geschichte von Nintendo war und noch heute ist. Für die Geschichte
von Nintendo nach 1993 gibt es natürlich andere Werke, die wir euch noch
vorstellen werden. Außerdem ist das Buch an den amerikanischen Markt
gerichtet und fokussiert sich deshalb auf diesen.



Trotz Sheffs lobenswerter Recherche muss man anmerken, dass sich manche
Fehler eingeschlichen haben. So schreibt Sheff den Nintendo-Chefdesigner
Shigeru Miyamoto stets „Sigeru“ und bezeichnet „Zelda II: The Adventure
of Link“ aus unerklärlichen Gründen nur als „Link“. Außerdem formuliert
er manch eine Passage zu salopp und zu sehr auf Unterhaltung getrimmt,
als dass man den darin enthaltenen Fakten wirklich vertrauen kann. Doch
dies sind nur Detailprobleme.

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David Sheff 2013 (Bildquelle)


Fazit

„Game Over“ ist unerlässlich für jeden, der sich mit der Geschichte des
Nintendo-Konzerns genauer auseinandersetzen möchte, da es bis auf
Detailfehler gut recherchiert und Ursprung eines Großteils unseres
Wissens zu diesem Themengebiet ist. Aber auch für jene, die sich
sporadisch etwas mit den Hintergründen des Erfolges auseinandersetzen
möchten, den Nintendo vor 20 Jahren erreichen konnte, ist das Buch
aufgrund des interessanten wie amüsanten Schreibstils sehr zu empfehlen.
Mitzubringen sind nur Englischkenntnisse, da das Buch nicht ins Deutsch
übersetzt wurde.



„Game Over“ wurde übrigens mehrfach unter anderen Titeln aktualisiert
und neuaufgelegt. In unserer Besprechung beziehen wir uns auf die
Originalversion von 1993 mit dem Untertitel „How Nintendo Zapped an
American Industry, Captured Your Dollars, and Enslaved Your Children“.