Im November 2003 kam Mario Kart: Double Dash!!“ – nur echt mit den beiden Ausrufezeichen – auf den Markt. Das bedeutet, dass der GameCube-Ableger der beliebten Funracer-Serie aus dem Hause Nintendo in diesen Tagen seinen 13. Geburtstag feiert! In Europa erschien das Spiel am 14. November, sodass sich zum Jubiläum eine „Inside Nintendo“-Reportage gut anbietet. Und immerhin zählt das Spiel zu den umstrittensten „Mario Kart“-Ablegern, wird es doch von manchen Fans als schwächster, von wieder anderen wiederum als Lieblingsteil der Serie angesehen. Dabei hätte es noch ganz anders kommen können, wie sich in der Entstehungsgeschichte von „Mario Kart: Double Dash!!“ zeigen wird.

Das Warten auf Mario Kart 3
Mit „Mario Kart 64“, das 1996 beziehungsweise 1997 für das altehrwürdige N64 herauskam, beförderte Nintendo das Spielprinzip des SNES-Klassikers „Super Mario Kart“ in die Polygon-Welt – und das wieder mit großem Erfolg. Angesichts dessen fragte die Nintendo Power im August 1998 den „MK64“-Director Hideki Konno, ob er bereits einen Nachfolger plane. Konno zeigte sich verhalten: „Vielleicht wenn wir eine neue Hardware auf den Markt bringen.“ Der ebenfalls anwesende Shigeru Miyamoto scherzte, dass Konno bloß darüber verärgert sei, nicht die Auszeichnung für das beste Rennspiel gewonnen zu haben, was dieser mit einem großen Lächeln abstritt.
Entsprechend mussten sich Serienfans einige Zeit lang bis zum dritten Teil gedulden. 2001 kam zwar „Mario Kart: Super Circuit“ für den Game Boy Advance heraus, entwickelt nicht wie üblich von Nintendo EAD, sondern vom „Fire Emblem“-Studio Intelligent Systems. Es orientiert sich aufgrund der Hardware des GBA jedoch am Serienerstling und war damit natürlich nicht der lang erwartete nächste Schritt in der Evolution von „Mario Kart“.
Trailer vor Entwicklungsbeginn
Dieser war jedoch bereits ein paar Wochen vor dem Japan-Start von „Super Circuit“ angeteasert worden. Auf der E3 2001 nämlich zeigte Nintendo ein siebensekündiges Video zu „Mario Kart for Nintendo GameCube“ (zur Geschichte des Spielwürfels verweisen wir auf einen früheren Report). Das Bildmaterial könnte dem fertigen Spiel unähnlicher kaum sein: Mario und Luigi fahren in Einzelkarts (!) über einen endlosen, monotonen Untergrund, der definitiv keine Rennstrecke ist, und einen Hintergrund oder Himmel sucht man vergebens. Die Charaktermodelle der beiden Klempnerbrüder sind zudem aus „Super Smash Bros. Melee“ übernommen worden.
Wir vermuten, dass die eigentliche Entwicklung des Spiels zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begonnen hatte und dass Nintendo einfach so früh wie möglich das GameCube-„Mario Kart“ anteasern wollte. Von den Konzepten des finalen Spiels stand zu dieser Zeit wohl noch keines fest. Entsprechend würde „Double Dash!!“ auch erst knapp zweieinhalb Jahre nach diesem Video erscheinen.
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Mehr Tech-Demo als Trailer: Der erste Teaser zum späteren „Mario Kart: Double Dash!!".
Die Menschen hinter dem Spiel
Die Entwicklung von „Double Dash!!“ begann vermutlich erst nach der Fertigstellung des GameCube-Launchspiels „Luigi's Mansion“. Immerhin waren Produzenten, Director und weitere Mitglieder des etwa 40-köprigen Teams hinter dem Funracer auch an Luigis Gruselabenteuer beteiligt gewesen; so etwa Kiyoshi Mizuki, der Chief Director von „Mario Kart: Double Dash!!“: ursprünglich bei Konami angestellt, arbeitete er seit 1999 bei Nintendo und war Co-Director von „Luigi's Mansion“ gewesen.
Der Director der SNES- und N64-Teile von „Mario Kart“ sowie heutige Serienproduzent, Hideki Konno, wirkte übrigens an „Double Dash!!“ gar nicht mit, obwohl es wie gewohnt von Nintendos EAD-Abteilung stammt. Warum? „Dafür gibt es keinen bestimmten Grund“, antwortete Konno 2008 in einem „Iwata fragt“-Interview. „Zu dieser Zeit habe ich viel mit Entwicklungsteams von Zweitanbietern gearbeitet.“ Zwar habe er das Entwicklerteam des neuen „Mario Kart“ beraten, doch da er im Abspann gar nicht erwähnt wird, dürfte seine Mitarbeit eher informeller Natur gewesen sein.
Mario Kart für Einsteiger und Profis
Für den GameCube-Ableger nahmen sich die Entwickler eine schwierige Aufgabe vor: Sie wollten sowohl „Mario Kart“-Veteranen als auch Neulinge ansprechen. Der Abstand zwischen Profis und schwächeren Spielern sollte reduziert werden, damit beide gleichermaßen Spaß haben können. Dieser Drahtseilakt stand stets im Hintergrund, als es um wichtige Entscheidungen für die Spielplanung ging. Welche bekannten Gameplay-Elemente sollten übernommen, welche neuen Features eingeführt werden? Welche Items sollte es im Spiel geben, und wie sollte man diese ausbalancieren?
Außerdem begünstigte diese Zielsetzung die Aufnahme der entscheidenden Innovation von „Mario Kart: Double Dash!!“: Das Tandem-Feature. Denn im GameCube-Teil der beliebten Reihe sitzen zwei Spielfiguren auf einem Kart, wobei eine das Gefährt lenkt und die andere mit Items hantiert. Auf Wunsch können diese Rollen auf zwei Spieler aufgeteilt werden, sodass etwa der Experte die Steuerung des Karts übernimmt und der Neuling sich um die Items kümmert.
Aber wie kam es zu dieser Spielidee? Shinya Takahashi, Director von „Wave Race 64“ und einer der Produzenten hinter „Double Dash!!“, erklärte in einem Interview: „Wir hatten die Möglichkeit, entweder weiterzumachen mit dem Modus, in dem zwei Charaktere ein Kart fahren, oder bei dem bestehenden alten Modell zu bleiben, bei dem ein Charakter ein Kart fährt. Diese Diskussion verlief tatsächlich sehr hitzig und dauerte bis zur letzten Minute an.“ Schließlich konnte sich die erste Option durchsetzen, womit die Konzeptphase bald zum Abschluss kam.

Dank der Rechenleistung des GameCube erstrahlt „Mario Kart“ erstmals vollständig in 3D-Grafik – in „Mario Kart 64“ wurden Karts und Charaktere noch als Sprites dargestellt.
Jetzt in richtig 3D!
Mit „Mario Kart 64“ hatte das Team aus technischen Gründen nicht alles umsetzen können, was es gewünscht hatte. So etwa musste auf eine polygonale Darstellung der Karts und Charaktere verzichtet werden. Dank der erhöhten Rechenleistung des GameCube stellte dies nun keinerlei Problem mehr dar. Die Charaktermodelle von Mario und Co. fertigte das Entwicklerteam aber nicht selbst an, sondern übernahm sie aus der internen Datenbank, in der Nintendo seit Beginn der GameCube-Ära solche Modelle projektübergreifend sammelt. Dadurch kann nämlich wertvolle Entwicklungszeit gespart werden, wenn nicht für jedes Mario-Spin-off eigene Charakter-Modelle erstellt werden müssen. So kommt es, dass die Modelle der Spielfiguren in „Double Dash!!“ identisch zu jenen aus „Mario Golf: Toadstool Tour“ und „Mario Party 5“ sind, die ebenfalls 2003 für den GameCube erschienen.
Zur Riege der Fahrer hatte ursprünglich auch Donkey Kong jr. zählen sollen, der bereits in „Super Mario Kart“ als Wagenlenker auftrat. Er wurde jedoch im finalen Spiel durch den bekannteren Diddy Kong ersetzt. Eine Figur, die Mizuki von Anfang an dabei haben wollte, war Toad, doch fanden die Entwickler im Mario-Universum keinen passenden Partner, wie er für das Tandem-Feature erforderlich wäre. So schuf das Team kurzerhand das weibliche Pendant zu dem kleinen Pilzkopf: Toadette war geboren. Sie zählt seitdem zur „Mario Party“-Stammbesetzung und übernahm in „Captain Toad: Treasure Tracker“ jüngst sogar eine größere Rolle.
Verworfene Strecken und Cups
Im finalen Spiel gibt es exakt 16 Rennpisten, doch die Streckendesigner hatten noch weitere entworfen. Da das Team jedoch wollte, dass jede Strecke innerhalb des Spiels ein Unikat darstelle, wurden optisch oder spielerisch ähnliche Strecken verworfen. Nach aktuellem Kenntnisstand sind von diesen verlorenen „Double Dash!!“-Pisten auch innerhalb der Spieldateien keine Überreste mehr vorhanden.
Wohl existieren in den Nullen und Einsen des Spiels noch Hinweise auf einen weiteren geplanten Cup, den Reverse Cup. Wie der Name verrät, sollten hier vier Strecken in umgekehrter Fahrtrichtung durchquert werden. Dabei sollte es sich um die Pisten Peach Beach, Pilz-Brücke, Yoshis Piste und Dinodino-Dschungel handeln. Leider wurde der Reverse Cup aus unbekannten Gründen verworfen, und auch für die späteren Serienteile hat Nintendo diese Idee nicht mehr aus den Archiven hervorgeholt.

Überbleibsel eines ursprünglich geplanten Reverse Cup: Links die Menü-Grafik, rechts das Pokal-Modell.
Warum nicht online?
Das Entwicklerteam hatte auch überlegt, wie es die GameCube-GBA-Konnektivität in „Double Dash!!“ einbringen könne. Durch dieses selten genutzte Feature lässt sich der Game Boy Advance mit dem Spielwürfel verbinden, was in einigen Spielen nette Boni ermöglicht. Allerdings kam das „Mario Kart“-Team zu dem Schluss, dass keine der möglichen Ideen rund um dieses Feature zu dem Spiel passe.
Ähnlich erging es auch einem möglichen Online-Modus. Über das Internet mit anderen zu spielen, begann zur damaligen Zeit markttauglich zu werden, und einige Fans wünschten sich daher ein „Mario Kart“ mit Online-Modus. Ein solcher schaffte es aber bekanntlich nicht ins fertige „Double Dash!!“. Generell stand Nintendo damals Online-Spielen negativ gegenüber, doch Produzent Tadashi Sugiyama versicherte, dass man sich nicht pauschal gegen eine solche Funktion entschieden habe. Stattdessen habe man genau überlegt, ob eine Online-Funktion zu „Double Dash!!“ passe. Doch sei sich das Team einig gewesen, dass die damalige Online-Infrastruktur das rasante „Mario Kart“-Gameplay nicht zufriedenstellend unterstütze.
Dafür lässt sich „Mario Kart: Double Dash!!“ mithilfe von lokalen Netzwerken mit bis zu 16 Spielern spielen – wozu freilich vier GameCube-Systeme, vier Exemplare des Spiels, vier Fernseher und ein Kabelchaos erforderlich sind. Die Entscheidung, einen solchen partytauglichen LAN-Modus in das Spiel einzubauen, hat laut Shinya Takahashi niemand anderes als Shigeru Miyamoto selbst getroffen. Miyamoto taucht im Abspann als Produzent auf, hatte seine Finger aber kaum im Spiel und gewährte den Entwicklern viele Freiheiten.
Double Dash wird enthüllt!!
Nach knapp zwei Jahren Funkstille stellte Nintendo das bis dahin unbetitelte GameCube-„Mario Kart“ am 23. April 2003 offiziell vor. Der Konzern zeigte erste Screenshots und enthüllte das Tandem-Feature sowie den LAN-Modus. Natürlich war auch die im Vergleich zu „Mario Kart 64“ stark aufgebohrte Grafik evident. Dabei fällt rückblickend auf: In manchen der veröffentlichten Screenshots war derselbe Fahrer zweimal zu sehen. Möglicherweise konnten damals also zwei Spieler denselben Fahrer wählen; eventuell handelte es sich dabei auch bloß um einen Fehler in den Bildern.
Wenige Wochen später stellte Nintendo „Double Dash!!“ auf der E3 2003 vor und zeigte einen knapp einminütigen Trailer. Dieser kam kurioserweise ohne Hintergrundmusik daher. Natürlich sollte das finale Spiel nicht so stumm bleiben; dafür sorgten Kenta Nagata, der bereits den Soundtrack von „Mario Kart 64“ komponiert hatte, sowie die zuvor an „Luigi's Mansion“, „Animal Crossing“ und „Super Mario Sunshine“ beteiligte Shinobu Tanaka.
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Zwei Jahre nach dem Teaser folgte der erste richtige Trailer zu „Mario Kart: Double Dash!!“. Insbesondere die Benutzeroberfläche unterscheidet sich hier noch stark vom finalen Spiel. Auffällig ist auch, dass in diesem Trailer noch kein Drifting zu sehen ist; es wurde tatsächlich erst später implementiert.
Gib Gas, Mario Kart!
Doch zurück zur E3 2003. Damals konnten Messebesucher den Titel erstmals anspielen – die Urteile in der Fachpresse fielen allerdings überwiegend negativ aus. Bemängelt wurde ein sehr niedriges Spieltempo, das nicht zu „Mario Kart“ passe. Vermutlich wollte Nintendo damit Spielneulingen entgegenkommen, drohte damit aber die Serienkenner zu vergraulen. Glücklicherweise behielten die Entwickler das Feedback von der E3 genau im Auge und ließen es in ihre weiteren Arbeiten einfließen. Denn als im August 2003 auf der Games Convention eine fortgeschrittenere Version des Spiels präsentiert wurde, spielte sich „Double Dash!!“ bereits flotter als noch auf der E3. Außerdem hatte Nintendo mittlerweile das aus „Mario Kart 64“ bekannte Drift-System eingebaut, das der E3-Fassung noch gefehlt hatte.
Auf der Nintendo-Messe Gamers' Summit im September 2003 war eine fast finale Fassung des Spiels zu sehen, deren Tempo im Vergleich zur Version von der Games Convention noch einmal höher ausfiel. Die Fachpresse war jetzt mit dem Fahrtempo zufrieden. Kurioserweise verlangsamten die Entwickler die Tachoanzeige des Spiels, während sie die eigentliche Fahrgeschwindigkeit erhöhten.
Am 7. November 2003 kam „Double Dash!!“ schließlich in Japan heraus, am 13. November in Europa und am 17. in Nordamerika. Dass das Spiel weltweit ungefähr gleichzeitig erscheinen sollte, hatte übrigens Miyamoto festgelegt. Die Kritiken fielen überaus positiv aus, und mit knapp sieben Millionen Verkäufen erwies sich „Double Dash!!“ auch als kommerzieller Erfolg. So ist es knapp nach „Super Smash Bros. Melee“ das zweiterfolgreichste GameCube-Spiel – später lag es dem Spielwürfel sogar im Bundle bei. Im Kontext der „Mario Kart“-Reihe schafft es der GameCube-Ableger aber nicht aufs Siegertreppchen; bloß der GBA-Ableger „Super Circuit“ ging seltener über die Ladentheken.
Zweiterfolgreichstes GameCube-Spiel und gleichzeitig zweitschwächste Verkaufszahlen eines „Mario Kart“: „Double Dash!!“ hat es im Kontext der beliebten Serie nicht einfach. Wie sieht eure Meinung zum Spiel aus?
Quellen: Mario Kart: Double Dash!! – the Interview, ComputerAndVideoGames, 3. November 2003; The Cutting Room Floor; weitere im Text verlinkt.
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