Die Kirby“-Reihe aus dem Hause HAL Laboratory gibt es jetzt schon seit
über zwei Jahrzehnten und gestern kam ihr neuester
Ableger „Kirby: Triple Deluxe“ für den Nintendo 3DS auf den Markt. Zwar
gehört der rosa Knödel in Sachen Verkaufszahlen nicht zu Nintendos
größten Erfolgen, er kann aber trotzdem auf eine interessante Geschichte
zurückblicken. Wie bei jeder größeren Nintendo-Reihe gibt es außerdem
„Kirby“-Spiele, die nie offiziell das Licht der Welt erblickt haben. In
der Vergangenheit haben wir uns schon mit den abgebrochenen Spielen der
„Mario“- und „Zelda“-Reihen beschäftigt. Nun wollen wir dies mit „Kirby“
machen. Denn für die „Kirby“-Reihe waren einige Kuriositäten geplant,
die es nie auf den Markt schafften. Wusstet ihr etwa, dass die Macher
von „Grand Theft Auto“ einst ein „Kirby“-Spiel entwickelten und dass
„Kirby's Adventure Wii“, der letzte Teil der Reihe von 2011, aus drei
eingestampften Projekten aus elf Jahren Arbeit zusammengeflickt wurde?

Artwork zu „Kid Kirby“
„Kid Kirby“ – von Rockstar North
Die hauptsächlich durch „Grand Theft Auto“ bekannte Spieleschmiede
Rockstar North veröffentlicht heutzutage keine Spiele für
Nintendo-Plattformen, doch das war nicht immer so. Tatsächlich
unterhielt das Studio in den 1990er Jahren, damals noch unter dem Namen
DMA Design, enge Kontakte zum Kult-Konsolenhersteller. Aus dieser
Kooperation entstanden die Exklusivtitel „Uniracers“ (SNES, 1994) sowie
„Body Harvest“ (N64, 1998).
Doch ein besonderes DMA Design-/Nintendo-Projekt gab es, das nie auf den
Markt kam. Zu allem Überfluss sollte es noch Teil einer bekannten
Nintendo-Reihe werden. Im Rahmen dieses Artikels kann man sich bereits
denken, dass es sich dabei um das „Kirby“-Franchise handelt. Das als
„Kid Kirby“ betitelte Spiel sollte Mitte der 1990er Jahre für das SNES
erscheinen und von der SNES-Maus Gebrauch machen. Es sollte auf der E3
1995 vorgestellt werden, wurde aber in der letzten Minute vom Plan
genommen.
Nur sehr wenig weiß man über „Kid Kirby“. Der Titel sagt es bereits: Es
sollte im Spiel um einen jüngeren Kirby gehen, gewissermaßen also ein
Prequel zu den anderen Teilen der Reihe. Das einzig existente Material
sind ein Artwork aus einer mexikanischen Club Nintendo-Ausgabe von 1995,
eine für Händler vorgesehene Broschüre aus dem gleichen Jahr sowie auf
Flickr veröffentlichte Artworks, Sprites und Levelpläne von DMA
Design-Urgestein Michael „Mike“ Daily.
Warum „Kid Kirby“ nicht auf den Markt kam, darüber kann man nur
Vermutungen anstellen. Vielleicht lag es an der Beziehung zwischen DMA
Design und Nintendo, die offenbar keine allzu einträchtige war, denn
Nintendo weigerte sich, das brutale „Body Harvest“ selbst zu
veröffentlichen. Vielleicht lag es an den kulturellen Differenzen.
Immerhin vertraut Nintendo selbst heute nur wenigen westlichen Studios
seine Top-Marken an und das meist nur nach langer, intensiver
Partnerschaft. Vielleicht lag es aber auch einfach an der Qualität des
Projektes, denn DMA Design-Gründer Dave Jones äußerte 2006 gegenüber
unseren Kollegen von
Gamasutra über dieses Projekt: „Es [das Spiel]
sollte zeigen, was mit der SNES-Maus möglich ist, doch die Maus
verkaufte sich nicht gut und wenn man es mit einem Joypad spielte, war
das Spiel nicht großartig, weshalb es niemals das Licht der Welt
erblickte.“
„Kirby Tilt 'n' Tumble 2“ – das gleich doppelt verlorene Spiel
Im Jahre 2000 erschien in Japan ein kurioser „Kirby“-Ableger. Zwar ist
die gesamte Serie an sich schon mehr als kurios, doch was das für den
Game Boy Color veröffentlichte „Kirby Tilt 'n' Tumble“ bot, war damals
noch eine Nummer ungewöhnlicher: Dank eines im Modul eingebauten Sensors
wird Kirby durch Neigen des Handhelds gesteuert. Via Bewegungssteuerung
lässt man die rosa Kugel aus der Vogelperspektive durch die Levels
rollen.
Ein wirklich ungewöhnliches und wohl auch nicht ganz ausgereiftes
Konzept: Spielt man „Tilt 'n' Tumble“ etwa auf einem Game Boy Advance
SP, so registriert das Spiel die Neigung komplett umgekehrt, da das
Modul bei dieser Konsole in deren Unterseite gesteckt wird. Theoretisch
ist das Spiel außerdem kompatibel mit dem Game Boy Player, durch den
Game Boy-Spiele auf dem GameCube gespielt werden können – in der Praxis
gestaltet sich dies jedoch äußerst unhandlich, da man hierzu den
GameCube neigen muss.
Jenen, die „Kirby Tilt 'n' Tumble“ unbedingt auf dem Fernseher zocken
wollten, tat Nintendo tatsächlich einen Gefallen. Auf der Nintendo Space
World 2001 stellte man „Kirby Tilt 'n' Tumble 2“ für den GameCube vor.
Gesteuert werden sollte es aber nicht durch Neigen des Spielwürfels,
sondern durch einen am GameCube angeschlossenen Game Boy Advance mit
eingestecktem Spielmodul. Der GBA sollte dabei als Bildschirm fungieren
und weiter zum Gameplay beitragen. Einen Überblick über dieses Konzept
verschafft folgendes, kurzes Video von der Space World 2001:
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2002 gab man jedoch bekannt, das Projekt umgeändert zu haben. Fortan
sollte es nicht mehr zum „Kirby“-Franchise gehören. Entsprechend wurde
Kirby entfernt und der Titel des Spiels in „Roll-o-Rama“ geändert,
während der Rest nahezu unverändert blieb. Allerdings erblickte das
Spiel auch unter diesem Namen nicht den Markt, sondern verschwand nach
einigen Jahren von der Bildfläche.
Aus „Kirby Tilt 'n' Tumble 2“ wurde also „Roll-o-Rama“, welches
schließlich still und heimlich gecancelt wurde. Das Konzept hinter dem
Titel erinnert frappierend an Nintendos aktuelle Heimkonsole, die Wii U.
Anfang der 2000er Jahre war die Verbindung zwischen GameCube und GBA
für Nintendo ein wichtiges Thema, allerdings erblickten nur wenige
Experimente aus dieser Ära tatsächlich das Licht der Welt. Zu den
glücklicheren Projekten dürfen sich „Pac-Man Versus“ oder „The Legend of
Zelda: Four Swords Adventures“ zählen, während „Kirby Tilt 'n' Tumble
2“ leider nicht so viel Glück hatte. Aber eventuell ist der Titel oder
besser gesagt sein Konzept nicht für immer verloren. Denn Ende 2012
erklärte Nintendo-Mastermind Shigeru Miyamoto, dass man gescheiterte
GC-GBA-Projekte eventuell für die Wii U wiederbeleben könnte.

Midlife Crisis
Von 1992 bis 1997 erschienen insgesamt zehn „Kirby“-Spiele und im Jahre
2000 folgte „Kirby 64: The Crystal Shards“. Doch in den folgenden Jahren
schien die Reihe unter einer starken Krise zu leiden: Es erschienen ein
Racing-Spin-off, Neuauflagen, zwei an Capcom outgesourcte Ableger,
kuriose Handheld-Teile sowie ein nicht minder kurioser Wii-Ableger im
Garn-Design, der erneut outgesourct wurde. Nach „Kirby 64“ erschienen
also zwar viele weitere Spiele rund um die rosa Kugel – doch in Japan
zählen all diese Spiele nicht zur Hauptreihe von „Kirby“ und ein
gewöhnlicher 2D-Ableger für eine Heimkonsole aus dem Hause HAL
Laboratory war viele Jahre lang nicht in Sicht.
Diese Identitätskrise der „Kirby“-Reihe wurde 2011, nach elf langen
Jahren, mit der Veröffentlichung von „Kirby's Adventure Wii“ beendet.
Das Spiel stammte wieder einzig von HAL, erschien für eine Heimkonsole
und ist ein routinierter 2D-Hüpfer ohne große Experimente. Der
amerikanische Titel des Spiels, „Kirby's Return to Dream Land“, spricht
Bände, stellte das Spiel doch die Rückbesinnung auf die Wurzeln der
Reihe dar. Doch warum erschien elf Jahre lang kein neuer Teil der
Hauptreihe?
Zunächst einmal fällt auf, dass Anfang der 2000er Jahre zwei wichtige
Köpfe hinter der Reihe das Studio verließen. Der langjährige
Serienproduzent und spätere HAL-Präsident Satoru Iwata verließ das
Studio 2000; zwei Jahre später wurde er Nintendo-Präsident. Außerdem
verließ 2003 Masahiro Sakurai das Studio, der junge Erfinder und
Chefdesigner der Reihe, der seither freiberuflich Spiele entwickelt,
darunter die „Super Smash Bros.“-Reihe. Dies mag dazu beigetragen haben,
dass zwischen 2000 und 2011 kein klassisches Heimkonsolen-„Kirby“ auf
den Markt kam. Der Hauptgrund ist aber ein ganz anderer und insbesondere
sehr interessant.
11 Jahre Arbeit und 3 abgebrochene Projekte
Wie der HAL-Produzent Shigefumi Kawase in einem
„Iwata fragt“-Interview
offenbarte, begann das Studio tatsächlich schon 2000, direkt nach der
Vollendung von „Kirby 64“, die Arbeiten an einem weiteren Teil der
Hauptreihe. Das Spiel sollte für den GameCube erscheinen und wie „Kirby
64“ auf 3D-Grafik setzen, allerdings ein 2D-Gameplay bieten. Außerdem
wurde ein Mehrspielermodus für bis zu vier Spieler eingebaut.
Auf der E3 2005 stellte Nintendo stolz dieses Spiel vor, das noch im
gleichen Jahr unter dem Titel „Kirby's Adventure“ auf den Markt kommen
sollte. Allerdings traten bei der Entwicklung große Probleme dabei auf,
gleichzeitig einen Mehrspieler- und einen Einzelspielermodus einzubauen,
weshalb das Projekt irgendwann eingestellt wurde. Wer mehr über die
Geschichte von „Kirby's Adventure“ erfahren und Material aus dem Spiel
sehen möchte, der sei auf dieses informative Video hingewiesen.
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Doch hier geht es weiter im Text. HAL Laboratory ließ sich trotz des
Rückschlags nicht entmutigen und begann die Arbeiten an einem weiteren
neuen „Kirby“-Nachfolger. Diesmal hatte man überaus ehrgeizige Ziele:
ein großes 3D-Jump'n'Run, in dem sich Kirby frei durch die Spielwelt
steuern lassen sollte. Allerdings hatte man sich mit dieser Idee wohl
übernommen. Da die erwünschte Qualität nicht erreicht werden konnte,
ließ HAL auch dieses Projekt fallen. Das unbetitelte 3D-„Kirby“ wurde
von Nintendo seiner Zeit nicht einmal öffentlich angekündigt.
Zurück ans Reißbrett: Ein drittes Projekt startete bei HAL, dem wieder
ein völlig anderes Konzept zu Grunde lag. Diesmal plante man ein
2D-„Kirby“ mit einer handgezeichneten Grafik, die an ein Kinderbuch
erinnern sollte. Doch auch diese Idee war zum Scheitern verurteilt und
wurde etwa Anfang 2010 aufgegeben. Über einen Zeitraum von elf Jahren
hatte das Studio drei unvollendete „Kirby“-Spiele hervorgebracht, die
alle aufgrund verschiedener Umstände nie auf den Markt kamen. Doch es
ist nicht so, dass diese drei Projekte in ihrer frühen Prototyp-Phase
abgebrochen wurden; dem Nintendo-Produzenten Hitoshi Yamagami zufolge
„sahen [sie] schon sehr weit fortgeschritten aus“.
So stand man vor den Überresten der drei fast fertigen, aber doch
abgebrochenen Projekte und wagte einen vierten Anlauf. Im März 2010
stieß Shinya Kumazaki als Director den Arbeiten an dem Spiel bei, das
2011 als „Kirby's Adventure Wii“ erscheinen sollte. Im Gegensatz zu den
drei vorherigen Projektentwürfen schaffte es dieses Spiel ohne große
Probleme und stellte somit auch endlich die Fans zufrieden, die viele
Jahre lang zusehen mussten, wie ein als „Kirby's Adventure“ betiteltes
Spiel von Nintendo immer und immer wieder verschoben wurde. Sogar den
Traum eines simultanen Vierspielermodus konnte sich HAL mit „Kirby's
Adventure Wii“ erfüllen. Dabei dauerte die Entwicklungsphase nur
ungefähr anderthalb Jahre an. „Kirby's Adventure Wii“ beinhaltet zudem
auch Fragmente aus den drei verlorenen Vorgänger-Projekten.

v.l.n.r.: „Kirby's Adventure“ (GameCube); unbetiteltes 3D-„Kirby“; unbetiteltes 2D-„Kirby“
Fazit
„Kirby“ ist ein wahrhaft skurilles Franchise – eine rosa Kugel, die
Gegner aufsaugt; hallo?! Mindestens ebenso skurill ist aber die
Geschichte hinter den Teilen der Serie, die es nie auf den Markt
schafften. Lassen wir die in diesem Bericht behandelten Spiele noch
einmal Revue passieren: Ein noch kindischeres SNES-„Kirby“, ausgerechnet
von Rockstar North. „Kirby Tilt 'n' Tumble 2“, das GameCube und Game
Boy Advance verbinden sollte, zu „Roll-o-Rama“ umentwickelt und
schließlich fallen gelassen wurde. Und zuletzt die Mammut-Mission, ein
neues Haupt-„Kirby“ für eine Heimkonsole zu entwickeln, der drei von
Grund auf unterschiedliche Projekte und elf Jahre Arbeit zum Opfer
fielen. Überraschenderweise existieren zu all diesen gecancelten Spielen
Bilder und vereinzelt auch Videos. Selbst zu den zwei unbetitelten, nie
öffentlich vorgeführten „Kirby“-Titeln, die zwischen 2005 und 2010
entstanden, veröffentlichte Nintendo im Nachhinein Fotos. Nun scheint
sich die Reihe endlich wieder eingekriegt zu haben, denn mit „Kirby:
Triple Deluxe“ erscheint bereits der nächste Ableger, ohne skurille
Experimente, nicht aus einem fremden Entwicklerstudio. Seine
Midlife-Crisis hat die Knutschkugel, die erst vor wenigen Tagen 22 wurde
und der man ihr Alter gar nicht ansieht, endlich überwunden.
Weitere Infos
