Auf der E3 2004 ließ Reginald Reggie“ Fils-Aime die Bombe platzen. Aus
dem Nichts präsentierte er den ersten Trailer zu jenem Spiel, das 2006
als „The Legend of Zelda: Twilight Princess“ für Nintendo GameCube und
Wii auf den Markt kommen würde. Die völlig überraschende Enthüllung des
Titels gegen Ende der Nintendo-Pressekonferenz rief bei den Fans eine
unglaubliche Reaktion hervor. Diese Publikumsreaktion macht jene
Ankündigung zum wohl großartigsten E3-Moment überhaupt.
Dieses Jahr jährt sich dieses Ereignis zum zehnten Mal und wie es der
Zufall so will, wird Nintendo in wenigen Tagen auf der E3 2014 ebenfalls
ein neues Konsolen-„Zelda“ enthüllen, diesmal für die Wii U. Wir
möchten euch zuvor noch einmal zur Erstankündigung von „Twilight
Princess“ 2004 zurückversetzen und in typischer „Inside Nintendo“-Manier
erklären, was diese Ankündigung so besonders machte.

But before you leave …
I hope you've enjoyed our program this morning. But before you leave,
I'd like you to step inside one more world for Nintendo GameCube.
Ich hoffe, euch hat unser Programm diesen Morgen gefallen. Doch bevor
ihr geht, taucht in eine weitere Welt für Nintendo GameCube ein.
Es ist der Morgen des 11. Mai 2004. Wir befinden uns im Kodak Theatre in
Los Angeles und wohnen der Nintendo-Pressekonferenz zur E3 2004 bei.
Wir haben den ersten großen, öffentlichen Auftritt von Reggie Fils-Aime,
die Ankündigung von „Metroid Prime 2: Echoes“ und die Vorführung des
Nintendo DS erlebt. Und jetzt gehen wir langsam aber sicher dem Ende
einer vollauf gelungenen Konferenz entgegen.
Auch Reggie leitet nun das Ende ein. Doch was ist das – bevor die
Konferenz endet, bittet er uns darum, ein weiteres neues GameCube-Spiel
zu begutachten. Die Worte des Regginators sind noch nicht zu Ende, da
wird das Nintendo-Logo ausgeblendet und ein von leichtem Chor-Gesang
begleiteter Trailer startet. Wir sehen eine riesige, natürliche
Landschaft. Die Kamera fährt durch einen Wald. Schließlich schlägt die
Situation um – die Musik beginnt sich zu dramatisieren und unsere Augen
erblicken eine gewittergeplagte, düstere Landschaft.
Ein gewaltiger, donnernder Orchester-Klang tritt ein, unterstützt durch
einen epochalen Chor, als am Horizont hinter der untergehenden Sonne
mehrere Kämpfer auf hohem Rosse auftauchen. In der Menge gellt ein
gewaltiger Schrei, wie eine Vorwarnung. Nach einigen Sekunden springt
das Bild um und zeigt einen Torbogen. Ein Reiter stürmt hindurch, reitet
den anderen rasch entgegen – Bildwechsel zum Horizont – Nahaufnahme:
der Mann in grüner Tunika reitet den Feinden entgegen, die Kamera dreht
sich um ihn, er erstrahlt vor der Sonne in hellem Glanze – er zückt sein
Schwert – Geschrei und Jubel in der Menge.
Weitere hektische Schnitte zeigen den grünbemützten Link im Kampfe – wie
Kanonenschläge peitscht der epochale Klang in der Halle und paart sich
mit dem Kriegsgeschrei der Menge. Nach einigen explosiven Momenten –
„Blades Will Bleed“ – „Shields Will Shatter“ – der tosende Jubel der
Menge reist nicht ab. Die eingeblendeten Texte verheißen jetzt einen
Übergang – „But as the Light Fades…“ – „Will The Hero Rise Again?“ –;
die eindringliche Musik verheißt den Höhepunkt. „Or Will Darkness
Reign?“ – Klingenhiebe – ein Schwert wirbelt durch die Luft und vereint
sich mit dem Schriftzug „Zelda“ – „Coming Soon“ – und das audiovisuelle
Bombardement endet schlaghaft. Das Kriegsgetümmel in den Zuschauerreihen
indes ebnet nicht ab: Stärker denn je jault der Jubel, klingt das
Klatschen, schallt das Schreien und die Begeisterung ist förmlich in der
Luft sichtbar.
„Zelda“-Schöpfer Shigeru Miyamoto erscheint aus dem Nichts in voller
„Zelda“-Montur, doch seine Worte müssen noch lange warten, bis sich der
Kriegsnebel in den Zuschauerreihen gelichtet hat. Nur wenige Worte
spricht er. Dann kann die Menge ihre Freude keine Sekunde länger mehr
unterdrücken und geradezu kanonenartig nimmt sie das gellende Gejubel
wieder auf und ein letztes Mal ertönt die majestätische Musik. Die
anwesenden Journalisten und Spielefans haben soeben zum allerersten Mal
„Twilight Princess“ gesehen.
Was wir soeben beschrieben haben, wird am besten durch die folgende Aufzeichnung des E3-Livestreams 2004 verdeutlicht:
Eingebundene Inhalte externer Webseiten werden nicht ohne deine Zustimmung automatisch geladen und dargestellt.
Durch Aktivieren der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden können.
Mehr Informationen findest du in unseren Datenschutzbestimmungen.
Der „Celda“-Skandal
Keine andere Ankündigung konnte in der Geschichte der E3 eine derartige
Reaktion hervorrufen. Doch wie konnte es dazu kommen? Daran waren
mehrere Faktoren maßgeblich beteiligt, die wir im Folgenden wie gewohnt
nüchtern betrachten werden.
Den offensichtlichsten Grund findet man in der Geschichte der
„Zelda“-Reihe. „Ocarina of Time“ war zu seiner Markteinführung 1998 das
meisterwartete Videospiel aller Zeiten und konnte schon vor seiner
Veröffentlichung einen nie zuvor gesehenen Hype aufbauen. Zwei Jahre
später folgte „Majora's Mask“, welches auf das Fundament des Vorgängers
aufbaute und dieses erweiterte. Zu jener Zeit stand bereits der GameCube
in den Startlöchern und die „Zelda“-Fangemeinde konnte es kaum
erwarten, mit ihren eigenen Augen zu erblicken, wie ihre Lieblingsserie
auf dem leistungsfähigen Spielewürfel aussehen würde. Im August 2000
fachte Nintendo diese Vorfreude weiter an, als man auf der hauseigenen
Messe Space World eine beeindruckende „Zelda“-Tech-Demo für den GameCube
zeigte (Stichwort „The Legend of Zelda 128“).
Auf der Space World 2001 schließlich stellte Nintendo erstmals das
tatsächliche GameCube-„Zelda“ vor – und sorgte damit für einen
waschechten Skandal. Kein realistischer, düsterer, „erwachsener“
Grafikstil. Nein, stattdessen helle und bunte Farben,
Cartoon-Proportionen, „kindische“ Grafik. „The Wind Waker“ mit seiner
besonderen Cel-Shading-Optik wurde seinerzeit von nicht wenigen als
„Celda“ verpönt, doch zu seiner Veröffentlichung erwies es sich als
gewohnt hochqualitativer „Zelda“-Ableger. Bis heute gilt es als einer
der besten Serienableger, nicht zuletzt aufgrund der hervorragend
gealterten Grafik. Nichtsdestotrotz war die Fangemeinde damals
unglaublich enttäuscht.
Die Hoffnungen lagen also auf einem eventuellen zweiten Serienableger
für den GameCube. Diesen bestätigte Nintendo auch alsbald. Doch der
Arbeitstitel „The Wind Waker 2“ tötete die Hoffnung der Fans im Nu ab,
verhieß er doch eine Fortsetzung im gleichen Stil. Mangels gegenteiliger
Anzeichen begruben die Fans daher ihre Hoffnungen auf ein „Zelda“ im
realistischen Gewand endgültig.

Aus dem Nichts
Im Vorfeld der E3 2004 gab es absolut keine Hinweise darauf, dass das
neue „Zelda“ vorgestellt werden würde; geschweige denn, dass es einen
ganz anderen Grafikstil als erwartet bieten würde. Und als die Konferenz
beinahe vorbei war, war auch der letzte, kärgliche Samen von Hoffnung
unwiderruflich abgetötet. Doch dann führte Nintendo den epischen Trailer
vor; er kam buchstäblich „aus dem Nichts“. Die Ankündigung war so
überraschend, ihr Timing so perfekt, ihre Erlösungswirkung, wenn man so
möchte, so gewaltig, dass sie noch heute der Prototyp der vollkommen
unerwarteten Ankündigung ist. So fühlten sich sicherlich am Ende der
eher enttäuschenden Nintendo-Konferenz zur E3 2012 zahlreiche Zuschauer
an die E3 2004 erinnert, als Reggie sich erneut bei allen Zuschauern
bedankte und mit „and let's finish with“ begann – es folgte tatsächlich
aber nur ein weiterer Blick auf das bereits ausführlich demonstrierte
„Nintendo Land“.
Ein symbolträchtiger Trailer
„Twilight Princess“ sollte die Forderung der Fans erfüllen und zum Stil
von „Ocarina of Time“ zurückzukehren. Dass Nintendo genau dies vorhatte,
präsentierte gut aufpassenden Teilnehmern im Publikum bereits die Musik
des Trailers auf der E3 2004. Damit beziehen wir uns nicht (nur) auf
den epochalen Klang- und Gesamteindruck. Bei der Trailermusik handelt es
sich nämlich um kein x-beliebiges Stück, sondern um ein Arrangement von
„Riddle of Steel“, einem Stück der Filmmusik aus dem 1982 erschienenen
Barbarenfilm „Conan der Barbar“, das ursprünglich aus der Feder des
Basil Poledouris (1945–2006) stammt. Ein derartiges Vorgehen ist für
Nintendo sehr ungewöhnlich, doch da hört die Besonderheit dieser
Trailermusik noch längst nicht auf.
Eingebundene Inhalte externer Webseiten werden nicht ohne deine Zustimmung automatisch geladen und dargestellt.
Durch Aktivieren der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden können.
Mehr Informationen findest du in unseren Datenschutzbestimmungen.
Nintendo-Fans des N64-Zeitalters wissen vielleicht noch: Genau das
gleiche Stück verwendete Nintendo 1998 als akustische Untermalung für
den Launch-Trailer von „Ocarina of Time“. Wer diesen Trailer mit dem
„Twilight Princess“-Trailer von 2004 vergleicht, wird dutzende weitere
Parallelen feststellen. Beide sind mit der gleichen Musik untermalt, das
ist ja jetzt klar. Beide beginnen mit Link, der auf Epona reitet. Beide
zeigen als nächstes in rascher Folge zusammengeschnittene, actionreiche
Spielszenen. Beide werden nicht von einem Sprecher begleitet, sondern
mittels zwischendurch eingeblendeter Texttafeln unterstützt. Und beide
enden mit einem ähnlich eingeblendeten Logo sowie einer Releaseangabe.
Eingebundene Inhalte externer Webseiten werden nicht ohne deine Zustimmung automatisch geladen und dargestellt.
Durch Aktivieren der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden können.
Mehr Informationen findest du in unseren Datenschutzbestimmungen.
Ein einmaliges Erlebnis
Allein dieser erste Trailer zum Spiel machte also klar, dass „Twilight
Princess“ das zweite „Ocarina of Time“ werden sollte. Doch leider war
der Rest für die Fans nicht so traumhaft wie die Ankündigung. Das Spiel
wurde nämlich sehr lange verschoben, um schließlich als Wii-Launchtitel
zu erscheinen. Gegenüber der ersten Präsentation wurde es stark
abgeändert und einige beinharte Serienfans sind mit dem Resultat einfach
nicht zufrieden.
Doch das ist ein anderes Thema. Stattdessen fragen wir uns nun: Könnte
uns auf der bald stattfindenden E3 2014 eine vergleichbare
Mega-Ankündigung erwarten? Die Antwort muss leider „nein“ lauten, denn
diesmal ist schlicht und ergreifend der Überraschungseffekt nicht
gegeben. Wir wissen doch schon, dass das neue „Zelda“ vorgestellt wird
und in Interviews wurde schon unzählige Male über das Wii U-„Zelda“
gesprochen. Es wurden zwar kaum konkrete Details genannt, aber dennoch
sind die Hoffnungen auf ein Spiel im wirklichkeitsnahen Grafikstil im
Bereich des Realistischen, da das Spiel immerhin nicht den Arbeitstitel
„Skyward Sword 2“ trägt.
Davon abgesehen wird Nintendo wie schon letztes Jahr keine gewöhnliche
Pressekonferenz abhalten, sondern wieder per Livestream neue
Ankündigungen vermelden. Somit ist eine gebündelte Publikumsreaktion
also unmöglich.
Davon abgesehen: Eine Reaktion wie auf der E3 2004 kann man nicht
erzwingen. Sie geschieht einfach. Die „Zelda“-Community ist sehr
passioniert, was sie für solche Ankündigungen geeignet macht. Aber ob
man je wieder so eine Ankündigung und eine derartige Reaktion sehen
wird, muss offen bleiben. Auf der diesjährigen E3 jedenfalls wird es
wohl nicht der Fall sein. Bis heute konnte die Ankündigung von 2004
nicht übertroffen werden, auch nicht durch Nintendo selbst, und das
trotz Enthüllungen wie beispielsweise „Kid Icarus: Uprising“, welches
für Serienfans das Ende einer fast 20-jährigen Tortur bedeutete.
Weitere Infos
