In diesem Sommer wird Super Mario Sunshine” zwölf Jahre alt. Das feucht-fröhliche Jump'n'Run kam in Japan Mitte 2002 und bei uns im
Oktober für den GameCube auf den Markt. Die Meinung der Fangemeinde über
das Spiel ist gespalten. Die einen lieben die großen, offenen
Spielwelten und die sommerliche Stimmung des Spiels, die anderen
kritisieren es als unausgereift. Doch wie dem auch sei, der zwölfte
Geburtstag des Spiels ist für uns Grund genug, einmal einen genaueren
Blick auf dessen Entstehungsprozess zu werfen, was unseres Wissens nach
bislang nicht in umfangreicherem Maße versucht wurde. Also ab nach
draußen, sucht euch ein schattiges Plätzchen unter einer Palme, ein
kaltes Getränk und viel Spaß beim Lesen!

Erfolgszwang
Als Nintendo 1996 „Super Mario 64” für das N64 veröffentlichte,
revolutionierte es damit abermals den Videospielmarkt, da das erste
3D-Spiel der „Super Mario”-Reihe wesentlich zur Erschließung des Marktes
der 3D-Videospiele beitrug. Für seine Qualitäten und Innovationen wurde
das Spiel seinerzeit in den Himmel gelobt.
Wie bloß sollte Nintendo einen Nachfolger entwickeln, der dieses Spiel
noch überbietet? Dies war wahrlich kein Zuckerschlecken, denn in den
folgenden Jahren versuchte sich Nintendo an mindestens drei Projekten zu
einem „Mario 64“-Nachfolger, darunter „Super Mario 64 2“ und „Super
Mario 128“ (mehr dazu in vorherigen Berichten). Beide Spiele
schafften es jedoch nie auf den Markt. So folgte erst sechs Jahre später
mit „Super Mario Sunshine” der wahre Nachfolger von „Super Mario 64“.
Geburtswehen eines Delfins
Erstmals bestätigt wurde ein neues „Super Mario“-Spiel für den GameCube,
damals noch unter dem Arbeitstitel Dolphin, um Mitte 1999. Als IGN64
Ende August 1999 den „Mario“-Chefproduzenten Shigeru Miyamoto auf das
geheime neue Spiel ansprach, antwortete dieser, dass Nintendo schlicht
Grundlagenforschung für den GameCube durchführe. Aus diesen Experimenten
werde irgendwann entweder ein neues „Mario”- oder ein neues „The Legend
of Zelda”-Spiel resultieren.
I am working on something that may eventually become Mario or it may
eventually become Zelda. I start with many experiments. I can tell you
that yes, we are working on something, but I just can't tell you what it
will be.
Wie sich später herausstellen sollte, beschäftigte sich Nintendo lange
Zeit damit, eine neue, leistungsfähige Engine für den GameCube zu
entwerfen. „Super Mario Sunshine“ nutzte als erstes Spiel diese neue
Engine. Darauf kam sie 2003 in „The Legend of Zelda: The Wind Waker“ zum
Einsatz. Beide Spieler basieren somit auf der gleichen Engine. Dies ist
für Nintendo keine Seltenheit: „Zelda: Ocarina of Time“ etwa läuft auf
Basis des überarbeiteten „Super Mario 64“-Programmgerüsts.
Ignoriert man die Entwicklungszeit dieser neuen GameCube-Engine, so
dauerte die eigentliche Entwicklung von „Super Mario Sunshine“ jedoch
nicht sehr lange an. Miyamoto schätzte ihre Dauer auf etwa anderthalb
Jahre, womit die Arbeiten am Projekt Ende 2000 oder Anfang 2001
anfingen.

Lasst uns ein Spiel mit einer Wasserpistole machen!
Am Anfang war die Idee von Yoshiaki Koizumi. Der talentierte Japaner war
zuvor Co-Director von „Super Mario 64“, „Zelda: Ocarina of Time“ und
„Zelda: Majora's Mask“. Generell ist Koizumi durchaus als Visionär zu
bezeichnen: Von ihm stammte das Drei-Tage-Konzept in „Majora's Mask“,
ebenso wie die Lock-On-Funktion in „Ocarina of Time“. Er konnte somit
schon 2000 auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken. Mehr über ihn
in einer früheren „Inside Nintendo”-Ausgabe.
Koizumi wurde zusammen mit dem vorherigen „Mario“- und
„Zelda”-Leveldesigner Kenta Usui als Director des neuen
GameCube-„Marios“ eingesetzt. Als Koizumi den GameCube-Controller in die
Hand nahm, um sich neue Ideen auszudenken, erinnerte ihn das Gefühl,
die Schultertasten zu drücken, an Wasserpistolen aus seiner Kindheit. So
entstand die Idee zu einer Wasserpumpe und von da an sprudelten die
Ideen nur so aus ihm heraus.
Anschließend begann Nintendo Experimente zu dieser Idee anzustellen.
Erst drei Monate nach Beginn dieser Konzeptphase merkte man, dass eine
Wasserdüse, mit der der Spieler etwa Gegner bekämpfen oder Abgründe
überschweben konnte, gut zu einem „Mario“-Spiel passen würde. Erst jetzt
hüllte Koizumi seine Idee in den „Mario“-Mantel.
Feucht-fröhliche Fantasien
Wasser war in dem neuen Projekt von Anfang an wichtig. Nicht nur die
Wasserdüse war daran Schuld. Erstmals konnte Nintendo aufgrund der
leistungsfähigen Hardware realistische Wassereffekte einbauen und wollte
dies auch ausnutzen. Wasser passt zum Sommer, Sommer passt zu einer
tropischen Insel: Aus dieser Gedankenfolge entstand der Schauplatz des
Spiels. Außerdem legte Nintendo früh fest, dass das Spiel im Sommer des
Jahres nach dem GameCube-Launch erscheinen sollte, also im Sommer 2002,
damit der Termin zur Atmosphäre des Spiels passt.
Fortan sah der Plan vor, die Idee der Wasserdüse in das Fundament aus
„Super Mario 64” einzusetzen. Den Spielarchitekten wurden durch das
Szenario aussagekräftige Spielwelten ermöglicht. Dafür sammelten einige
Teammitglieder Inspirationen durch eigenfinanzierte Ausflüge. Ohnehin
war von Anfang an geplant, dass das neue Spiel realistischer wirken
sollte als „Mario 64”. Als man nämlich den Wandsprung in das Spiel
einbaute, schlug Koizumi vor, hohe Häuser als Spielwelten zu nutzen,
damit der Wandsprung im Spiel auch oftmals zur Verwendung kommt.
Daher handelt „Super Mario Sunshine” auf einer realitätsnahen tropischen
Urlaubsinsel mit einem großen Dorf. Die gesamte Spielwelt soll nach
Entwicklerangaben viermal so groß sein wie die des Vorgängers. Den
ersten Prototyp zu dieser Insel, die auf den Namen Isla Delfino hört,
die Form eines Delfins aufweist und offenkundig vom Codenamen des
GameCube, Dolphin, inspiriert wurde, fertigte Koizumi als Tonfigur an.
Im Vergleich zum Vorgänger erweiterte das Team auch die Kameraoptionen.
So kann der Spieler die Kamera nun völlig frei steuern. Davon erhofften
sich die Entwickler eine größere Zugänglichkeit, da viele Spieler
3D-Jump'n'Runs für zu kompliziert hielten. Auch ermöglichte die
ausgereiftere Kameraprogrammierung aufregende virtuelle
Achterbahnfahrten, die zwei Mal in „Sunshine” vorkommen. Außerdem
verwirklichte Koizumi in diesem Projekt einige Ideen, die er
ursprünglich für „Majora's Mask“ entwickelt hatte.

Reif für die Insel
Erst, als das Spielkonzept und die Thematik feststanden, überlegten sich
die Entwickler eine Hintergrundgeschichte. Diese fällt umfangreicher
aus als die aller anderen „Super Mario”-Spiele, weist sogar, wenn auch
äußerst bescheidenes, Voice-Acting und Zwischensequenzen auf. Beides
haben wir abermals Koizumi zu verdanken, dessen ursprünglicher
Berufswunsch es war, Film-Regisseur zu werden.
Als Hauptpunkt der Handlung fungiert ein Mario-Doppelgänger, der Isla
Delfino mit Schleim beschmiert und so für allerlei Unheil sorgt.
Fälschlicherweise verurteilt die Inselbevölkerung Mario selbst als
Schuldigen und verdonnert ihn dazu, die gesamte Insel mithilfe einer
Wasserpumpe namens Dreckweg 08/17 zu säubern und alle verschwundenen,
für die Insel wichtigen Insignien der Sonne einzusammeln.
Dreckweg – steck weg?
Es ist das erste Mal in der Geschichte seiner Hauptreihe, dass Super
Mario ein Werkzeug benutzt. Den mutmaßlich zutiefst schockierten Fans
sei aber versichert: Die Entwickler führten harte Diskussionen zur
Frage, ob dies wirklich angebracht sei. Schließlich entschied man sich
dafür, immerhin gab es im GameCube-Launchtitel „Luigi's Mansion“
ebenfalls ein Hilfswerkzeug, den Schreckweg 08/16.
Innerhalb des Mario-Universums stammen beide Werkzeuge vom gleichen
Erfinder, und tatsächlich war es auch der gleiche Designer bei Nintendo,
der sie gestaltete. Ursprünglich gab es zehn verschiedene Vorschläge
für Dreckweg. Das finale Dreckweg-Design war zwar nicht die beliebteste
bei den Entwicklern, dafür aber jener, der am besten zum Konzept passte.
In vielen frühen Screenshots, derer ihr zu Hauf in unserer Galerie
findet, ist noch ein frühes, schlankeres Design der sprechenden und
sympathischen Sprudelgerätschaft zu sehen.
Mit der Schleimthematik verarbeitete Nintendo das Gemälde-Konzept aus
„Super Mario 64”. Miyamoto zufolge war außerdem viel Leistung notwendig,
um ein System umzusetzen, in welchem der Spieler Schmutz dynamisch mit
Wasser entfernen kann. Der GameCube aber war stark genug, um das Konzept
umzusetzen. Auch der Schleim ist übrigens im Laufe der Entwicklung
mehrere Stadien durchlaufen, und so kann man mitunter in älteren
Screenshots einen Blick auf andere Schleim-Texturen erhaschen.
Die Hälfte der Entwicklungsgeschichte hinter „Super Mario Sunshine” sind
wir somit schon durchgegangen. In zwei Wochen geht's mit dem zweiten
Teil weiter. Es wird unter anderem um das erste veröffentlichte Material
von „Super Mario Sunshine” gehen, das sich sehr stark von dem finalen
Spiel unterscheidet. Außerdem decken wir eines der größten Geheimnisse
rund um das Spiel auf. Doch worum es sich dabei handelt, das verraten
wir erst in zwei Wochen!
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