Die Super Smash Bros.“-Reihe gehört zu Nintendos wichtigsten Serien: Der gigantische Crossover-Prügler löst mit jeder neuen Veröffentlichung einen noch größeren Hype als beim Vorgänger aus und beschert Nintendo dabei stets phänomenale Verkaufszahlen. Seit 15 Jahren gibt es diese Serie bereits, und doch ist es erst ihr vierter Teil, der dieser Tage auf den Markt kommt – „endlich“, werden jene Fans hinzufügen möchten, die diesem Augenblick schon seit Jahren entgegensehnen. Anlässlich dessen geben wir euch einen Überblick über die Geschichte der Reihe sowie die Karriere ihres Schöpfers, Masahiro Sakurai. Viel Spaß!

„Mega Man“-Illustrator Ryuji Higurashi fertigte dieses Artwork für „Super Smash Bros.“ an.
Der kreative junge Mann und der Computerfreak
Alles begann mit Masahiro Sakurai und Satoru Iwata – dem heutigen Nintendo-Präsidenten – sowie dem japanischen Studio HAL Laboratory. Ein kurzer Überblick zur Studiogeschichte: 1980 von Computernerds gegründet, knüpfte das Studio schon bald enge Verbindungen zu Nintendo. Anfang der 1990er Jahre steckte es in tiefen finanziellen Schwierigkeiten, doch Nintendo hatte genug Vertrauen in das Studio. Iwata wurde zum Präsidenten ernannt und der erst 22-jährige Sakurai schuf mit „Kirby's Dream Land“ 1992 jenes Spiel, welches das Studio schließlich vor dem Ruin rettete.
Vom Erfolg der „Kirby“-Reihe getragen, begann Sakurai einige Jahre später, ein völlig neues Spiel zu entwerfen. Es sollte ein Prügelspiel werden und hörte zunächst auf den Namen „Dragon King: The Fighting Game“. Sakurais Kollege, Freund und Boss Iwata erkannte in dieser Idee Potenzial und machte sich an die technische Ausarbeitung. Da er bereits mit einem anderen Projekt ausgelastet war, programmierte er das Spiel während seiner Wochenenden. Neben dem Spieldesigner Sakurai und dem Programmierer Iwata umfasste das Projekt zunächst nur eine weitere Person, die für den Sound zuständig war.
Diesen Erfolg sah niemand kommen
Sakurais und Iwatas Intention war es, ein neuartiges Prügelspiel mit einem simultanen Vierspielermodus zu kreieren. Das Projekt entstand in einem sehr kleinen Kreis und hatte dementsprechend zunächst auch nur einen sehr kleinen Umfang. Als Spielfiguren hielten außerdem neutrale, undefinierte Personen her. Da Sakurai einfach zu identifizierende Spielfiguren wünschte, bat er dann um die Nutzung von Nintendo-Charakteren als Kämpfer. Sein Projekt hat somit endlich eine Identität erhalten!
Schlussendlich entstand eine große Produktion, die über 30 Personen beschäftigte. Trotzdem erhoffte sich Nintendo nicht viel von dem kuriosen Spiel, als es Anfang 1999 unter dem Titel „Super Smash Bros.“ für das N64 erschien. Ein Beat-'em-up-Spiel für vier Spieler mit Nintendo-Charakteren aller großen Serien – das klang damals einfach nach einem Nischenspiel. Der Erfolg, der sich aber bald völlig überraschend einstellte, überzeugte Nintendo vom Gegenteil.

Ein Screenshot aus dem Prototyp des späteren „Super Smash Bros.“; man beachte die identitätslosen Kämpfer.
Nachfolger-Nachschub
So ist es in der Spielebranche immer: Wo ein Erfolg ist, kommen Nachfolger. Nach der freien und ungezwungenen Entwicklung von „Super Smash Bros.“ begann Sakurai daher mit Volldampf die Arbeiten zu einem zweiten Teil. Da der erste Teil unerwartet derart positiv aufgenommen wurde, stand Sakurai unter mächtigem Druck – denn mit dem zweiten Teil wollte er natürlich alle Erwartungen überbieten. Es wurde das bis dato gewaltigste Projekt seiner Karriere. Die folgende, 13-monatige Entwicklungsphase verbrachte der junge, engagierte und vielversprechende Entwickler mit übertriebenen Arbeitszeiten, verkürzten Wochenenden und ohne Urlaub.
„Super Smash Bros. Melee“ stellte seinen Vorgänger wahrhaftig in den Schatten. Ende 2001 erschien es in Japan und Nordamerika für den Nintendo GameCube; Europäer mussten sich bis Mai 2002 gedulden. Sakurais Mühen zahlten sich dabei voll aus: „Melee“ avancierte zum meistverkauften GameCube-Titel und zum Liebling in den Herzen vieler Serienfans. Selbst Sakurai ist auf das Ergebnis besonders stolz.
Auszeit für Sakurai?
Die „Super Smash Bros.“-Serie gehörte inzwischen zu den größten Reihen in Nintendos reichhaltigem Repertoire, aber auch die „Kirby“-Reihe wurde stetig fortgesetzt. Sakurai hielt wenig von dem ständigen Sequel-Zwang und trennte sich 2003 von HAL Laboratory. In der nächsten Zeit wandte er sich dem Puzzle-Genre zu und schuf „Meteos” (DS, 2005).
Sakurai stand nun als unabhängiger Entwickler da. Aufgrund seines Erfolges standen ihm quasi alle Türen offen. Viele Angebote hatte er bereits erhalten und steckte nun mitten in den Planungen für seine künftige Karriere. Auf der E3 2005 wollte er sich erst einen weiteren Überblick verschaffen.
Doch auf der E3 2005 kündigte Iwata einen Wii-Ableger der „Super Smash Bros.”-Reihe inklusive Onlinekomponente an. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Projekt noch nicht begonnen; nicht einmal Sakurai wusste im Vorfeld über die Ankündigung Bescheid, sie kam selbst für ihn aus dem Nichts.
Iwata wollte ihn unbedingt als Projektleiter für den dritten Serienableger anheuern. Wäre ihm dies nicht gelungen, so hätte Iwata die Entwicklung jemand anderem überlassen – das Resultat wäre in diesem Falle aber ernüchternd geworden. So willigte Sakurai ein und lehnte seine anderen Jobangebote ab.

Größer, besser, weiter: „Melee“ stellte seinen Vorgänger in den Schatten.
Talentierter Entwickler sucht talentiertes Entwicklerteam
So stand Masahiro Sakurai im Mai 2005 als Vollzeit-Director des dritten „Super Smash Bros.”-Spiel da – ganz allein. Denn als völlig unabhängiger Entwickler stand ihm noch kein Team zur Verfügung, geschweige denn ein Studio. Daher musste zunächst die Infrastruktur für die Entwicklung des neuen Spiels geschaffen werden.
Im September 2005 gründete Sakurai ein eigenes Unternehmen namens Sora, dessen Zweck als der einer Agentur zu verstehen ist. Oft wird Sora misstümlich als Sakurais Studio bezeichnet, da der Name auch in den Spielen auftaucht – Sora hat aber nur zwei Mitarbeiter, nämlich Sakurai und seine Frau Michiko, die die Menüs in seinen Spielen gestaltet.
Sakurai entschied, dass die Produktion des neuen Spiels in Tokyo stattfinden sollte. Ein Angebot, das Spiel in Nintendos Kyoto-Hauptquartier zu entwickeln, schlug er ab. So gründete Nintendo eigens für ihn und sein Projekt in Tokyo ein neues Entwicklungsgebäude und stellte ein Team zusammen. Als erster Teil der Reihe entstand „Brawl” somit außerhalb von HAL Laboratory. Einige von Sakurais Teamkollegen aber hatten bereits bei den Vorgängerspielen mitgewirkt. Außerdem stellte HAL Laboratory Sakurai nützliche und hilfreiche Materialien aus der Entwicklung von „Melee” zur Verfügung.
Voller Einsatz
Den Großteil des direkt unter der Leitung von Sakurai stehenden Entwicklerteams bildeten Angestellte des Tokyoter Studios Game Arts, aber auch zahlreiche weitere Studios waren involviert – darunter auch Monolith Soft, die späteren Schöpfer von „Xenoblade Chronicles“. 2007 sollte das Monsterprojekt bereits vollendet sein. Für Sakurai bedeutete dies wieder einmal Stress pur: Er musste nach Tokyo umziehen, das Bürogebäude musste eingerichtet, das Team zusammengehalten werden, die Überanstrengung machte ihn krank.
Im Oktober 2005 öffnete das eigens für dieses Projekt errichtete Studio endlich seine Pforten und das nur für diesen Zweck zusammengestellte Team nahm endlich seine Arbeit auf. Mehrere Wochen nach seiner Ankündigung begann endlich die Entwicklung von „Super Smash Bros. Brawl”.
Den angepeilten Veröffentlichungstermin für Ende 2007 konnte das Team beim besten Willen nicht einhalten. Die Fertigstellung musste verschoben werden. In Japan kam das Spiel schließlich im Januar, in Amerika im März und in Europa erst im Juni 2008 heraus.
Es ist kaum vorstellbar, aber was den finanziellen und den kritischen Erfolg betrifft, konnte „Brawl” seinen Vorgänger wieder übertrumpfen. Nach diesem Mammutprojekt würde man von Sakurai erwarten, zunächst eine Pause einzulegen – aber nichts da. Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung heuerte Iwata seinen Freund für ein weiteres Projekt an.

Edles Ambiente: Das Interieur von Project Sora
Pausenlose Akkordarbeit für Nintendo
Mitte 2008 weihte der Nintendo-Präsident den pausenlos arbeitenden Sakurai als einen der ersten externen Entwickler in das Projekt „Nintendo 3DS” ein. Iwata bat seinen alten Freund um die Entwicklung eines neuen Spiels für das 3D-Handheld. Diesmal wurde es zwar kein neuer „Super Smash Bros.”-Teil, sondern ein Shooter – an Sakurais Arbeitsbedingungen änderte das aber nicht viel.
Wieder musste ein neues Team zusammengestellt werden, bis Anfang 2009 in Tokyo das notdürftig eingerichtete Studio Project Sora seine Pforten öffnete. Wieder einmal arbeitete Sakurai pausenlos und jahrelang. Erst im März 2012 erschien sein neuestes Projekt, „Kid Icarus: Uprising”, für den 3DS. Weitere Infos zum Entwicklungsprozess dieses Spiels findet ihr, sofern ihr interessiert seid, in einem
älteren Artikel von uns.
Das nächste Projekt in Sakurais Karrierewarteschlange
Doch für Sakurai gab es immer noch keine Zeit für eine Pause. Sein nächstes Projekt war nämlich schon vor einem Dreivierteljahr der Öffentlichkeit präsentiert worden. Auf der E3 2011 hatte Iwata stolz angekündigt, dass der vierte „Super Smash Bros.”-Teil für Wii U und Nintendo 3DS erscheinen werde – zum ersten Mal in HD, zum ersten Mal auf einem Handheld und zum ersten Mal für zwei Konsolen auf einmal.
Aber wie schon damals bei der Ankündigung von „Brawl” hatte die Entwicklung des neuen Titels noch gar nicht begonnen. Erst nach der Fertigstellung von „Kid Icarus: Uprising“, also Anfang 2012, konnte Sakurai mit der Entwicklung beginnen.

Masahiro Sakurai 1993 …
Nintendo x Bandai Namco
Man hätte vermuten können, dass das unter dem Namen Project Sora zusammengewürfelte Entwicklerteam auch für die neuen Spiele zuständig sein würde. Aber nein: Mitte 2012 schloss das Studio seine Pforten. Stattdessen überließ Nintendo die Realisierung des vierten „Super Smash Bros.”-Teiles Bandai Namco Games, direkt unter Sakurais Leitung. Bandai Namco bot sich an, da der Hersteller eine Größe im Prügelspielgenre ist, aber auch wegen der engen Partnerschaft mit Nintendo.
Wie müssen Sakurai und die Mannen von Bandai Namco geschuftet haben, um ein derartiges Mammutprojekt in nicht viel mehr als zwei Jahren auf die Beine zu stellen? Fakt ist, dass es ihnen gelungen ist – „Super Smash Bros. for Nintendo 3DS” kam am 2. Oktober auf den Markt, „Super Smash Bros. for Wii U” soll auch noch dieses Jahr folgen. Wie gut die Resultate aber letztlich sind, wird sich erst langfristig zeigen.
What will Sakurai do?
Für „Super Smash Bros.”-Fans endet die Geschichte hier vorläufig. Doch wie sieht Masahiro Sakurais Zukunft aus? Immerhin ist er immer noch ein unabhängiger Entwickler. Und angesichts seiner Erfolge werden nicht wenige Spielehersteller überaus großes Interesse an ihm haben. Nintendo weiß selbst, wie wichtig Sakurai für das eigene Spieleangebot ist, und wird ihn daher nicht so einfach hergeben. Zudem ist Sakurai ja auch noch eng mit Iwata befreundet.
Dass die letzten beiden „Smash Bros.”-Teile vor Beginn ihrer Entwicklung angekündigt wurden, zeugt von dem Zwang, mit dem Nintendo Sakurai behalten möchte. Denn derart unter den Druck der Öffentlichkeit gab es für Sakurai keine wirkliche Alternative, als die Projekte durchzuziehen. So wird es wohl auch in Zukunft aussehen. Auf dem Papier also mag Sakurai ein unabhängiger Spieleentwickler sein. In der Praxis jedoch ist er quasi untrennbar an Nintendo gebunden.

… und heute. Sakurai scheint Benjamin-Button-mäßig rückwärts zu altern, denn mit 44 Jahren sieht er weitaus jünger aus als mit 23. Und das trotz seiner pausenlosen Arbeit!
Eine Pause für Sakurai?
Für Nintendo und gerade auch für Sakurai wäre es aber eine äußerst sinnvolle Lösung, endlich ein dauerhaftes Entwicklerteam zu gründen. Die letzten Male musste um Sakurai stets ein neues Team und ein neues Studio aufgebaut werden; das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Nerven und zehrt so an der Gesundheit. Schon so steht es um Sakurais Gesundheit wenig gut: Er leidet unter anderem am Repetitive Strain Injury Syndrom, was ihm Schmerzen bei der typischen Arbeit eines Spieleentwicklers bereitet.
Generell ist beachtenswert, welche Mühen Sakurai auf sich nimmt. Seit über zwei Jahrzehnten nun ist er Director seiner eigenen Spiele, trägt also die volle Projektverantwortung. Normalerweise werden in der Spielebranche erfahrene Projektleiter bald zu Produzenten hinaufgestuft, die die Hauptarbeit dem Nachwuchs überlassen. Nicht aber Sakurai. Anscheinend möchte er auch weiterhin die volle Kontrolle über seine Projekte haben.
Wenn dem schon so ist, dann sollte er endlich sein eigenes, dauerhaftes Entwicklerteam erhalten. Angeblich plante Nintendo einst eine dritte Abteilung der EAD Tokyo um Sakurai aufzubauen. Daraus wurde allerdings aus unbekannten Gründen nichts. So oder so kann man Sakurai nach „Super Smash Bros. 4“ erst einmal nur eine Ruhezeit wünschen, hat er doch die letzten Jahre quasi pausenlos hart gewerkelt. Seiner Gesundheit würde es auf jedem Fall zu Gute kommen.
Wir können kaum erwarten, was Sakurai als nächstes unternimmt. Ein neuer „Super Smash Bros.”-Teil für die neunte Konsolengeneration ist so sicher wie das Amen in der Kirche, aber noch interessanter sind Revivals alter Nintendo-Franchises wie „Kid Icarus: Uprising”. Ebenso hat Sakurai das Zeug dazu, eine komplett neue Serie zu erschaffen. Sakurai hat bewiesen, dass er zu allen drei Optionen fähig ist. Ohne geregelte Umstände und wohlverdiente Pause wird er aber nur eine der drei Optionen umsetzen können.
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