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Von der ersten Ankündigung im August 1993 unter dem Codenamen Project Reality“ bis zur Veröffentlichung gingen drei Jahre ins Land. Nintendos damalige Prämisse: Die Technik zeitgenössischer Supercomputer in eine erschwingliche Spielekonsole einzubauen. Doch als Achillesferse des Ganzen erwies sich die Entscheidung, auf althergebrachte Module statt auf neuartige CD-ROMs zurückzugreifen. Erfahrt nun die ganze Geschichte hinter dem N64!

Im ersten Teil ging es um die eigentliche Entstehung der Konsole, in Part zwei befassten wir uns mit den unzähligen Verschiebungen, Umbenennungen und der Situation für frühe N64-Entwickler. Der abschließende Teil der Reportage-Reihe dreht sich nun um die Markteinführung der Konsole, um das N64 DD und um die restliche Geschichte des Geräts.

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Klempner, Pilot und Schachspieler


In Japan erschien das N64 am 23. Juni 1996. Trotz des quantitativ sehr dürftigen Start-Line-up – mit „Super Mario 64“, „Pilotwings“ und dem Schach-Spiel „Saikyo Habu Shogi“ waren zu Beginn nur drei Spiele verfügbar – gingen am ersten Tag alle 300.000 ausgelieferten Exemplare über die Ladentheken. Während „Shogi” nur von einem kleinen Bruchteil der N64-Besitzer erworben wurde, verkauften sich die beiden Nintendo-Titel prächtig. Verständlich, denn einerseits gab es ja keine Alternativen, doch andererseits war besonders „Super Mario 64“ schlicht und ergreifend ein begeisterndes Spiel. Das N64 soll den bis dato erfolgreichsten Marktstart einer Konsole in Japan hingelegt haben. Doch wegen der schwachen Spieleauswahl ließ das Interesse am Gerät rasch nach.


Hyper-Hype in Amerika


Vielleicht hat Nintendo deswegen die Konsole in Amerika statt der angekündigten 250 US-Dollar zum absoluten Kampfpreis von 199 US-Dollar veröffentlicht. Hier herrschte ein so großer Hype um das N64, dass es vier Tage vor dem eigentlich geplanten Release veröffentlicht wurde, nämlich am 25. November 1996. Eine halbe Million Exemplare lieferte Nintendo zur Markteinführung nach Amerika, und innerhalb kürzester Zeit gingen alle unter das Volk. Dabei war die Spiele-Situation hier noch prekärer als in Japan: Einzig „Super Mario 64“ und „Pilotwings“ begleiteten die neue Konsole in ihren ersten Tagen.


Abwechslung und Auswahl waren somit zwar nicht geboten, doch hatten es diese beiden Spiele derart in sich, dass Nintendo kaum mit der Herstellung von neuen N64-Konsolen für den amerikanischen Markt hinterher kam. Deswegen hat der Konzern den ursprünglich für Herbst geplanten Marktstart der Konsole in Europa abgesagt, um eigentlich für Europa vorgesehene Exemplare nach Amerika zu liefern.

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„Star Wars: Shadows of the Empire“ von LucasArts war eines der frühen N64-Spiele. Doch immer weniger Dritthersteller unterstützten das N64.


Spieleebbe wegen Modulwahl


In den Wochen nach der Markteinführung erschienen zwar Hits wie „Wave Race 64“, „Mario Kart 64“ oder „Star Wars: Shadows of the Empire“, und als das N64 am 1. März 1997 endlich auch in Europa herauskam, wurde es bereits von einigen Spiele begleitet. Trotzdem machte sich bald ein Problem bemerkbar: Der Nachschub an neuen Veröffentlichungen für die Konsole war zu unstet.


Das N64 wurde von den Drittherstellern weniger unterstützt als die vorherigen Nintendo-Konsolen. Deswegen avancierten bald Nintendos eigene Spiele zu den tragenden Veröffentlichungen. Der Hauptgrund dafür war gewiss die Entscheidung, statt CD-ROMs Module als Medien zu nutzen – deswegen soll sich etwa der große Publisher Square von Nintendo ab- und exklusiv Sonys PlayStation zugewandt haben. (Die genauen Gründe für Nintendos Entscheidung könnt ihr im ersten Teil unserer Reportage nachlesen.) Nicht ganz unwesentlich für den Abwärtstrend war jedoch auch die Tatsache, dass sich die Spieleentwicklung für das N64 als ziemlich kompliziert erwies. Darauf möchten wir jetzt etwas genauer eingehen.


Technikhieb als Studiosieb


Die Ko-Prozessoren für Grafik und Ton des N64 lassen sich mithilfe von sogenanntem Mikrocode direkt programmieren und so für eigene Engines optimieren. Dadurch gestaltete sich das N64 den Entwicklern als sehr flexible Plattform. Allerdings war die Programmierung von eigenem Mikrocode ziemlich schwierig, denn angeblich hat Nintendo das Ganze schlecht dokumentiert, außerdem ist derartiger Maschinencode generell sehr anfällig für Programmierfehler. Ferner soll der Standard-Mikrocode von SGI, dem Unternehmen hinter der Technik des Geräts, eher suboptimal gewesen sein. Nur wenigen Drittherstellern gelang es – und das auch erst spät im Lebenszyklus der Konsole –, perfekt optimierten Mikrocode für das N64 zur schreiben und so das Maximum aus dem Gerät herauszukitzeln. Ebenfalls problematisch war der Textur-Cache von bloßen vier Kilobyte, den wir aber bereits am Ende von Teil 1 angesprochen haben.


Die schwierige Entwicklung für die Konsole hat vielen Studios das Leben schwer gemacht und manches Unternehmen sogar abgeschreckt. Doch dahinter scheint Kalkül gesteckt zu haben. Nintendos N64-Chefentwickler Genyo Takeda rechtfertigte sich: „Wenn man fortgeschrittene Spiele machen möchte, ist es nur logisch, dass es auch technisch schwieriger wird, dachten wir.“ Shigeru Miyamoto formulierte es drastischer: Durch die hohe technische Hürde seien die untalentierten Entwickler quasi schon im Voraus ausgesiebt worden. „Ich glaube, das war notwendig. Es war fast ein Übergangsritual.“

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Das Expansion Pak verdoppelt den Arbeitsspeicher des N64 und ist damit eine ziemlich ungewöhnliche Erweiterung. (Bildquelle)


Das Spielerepertoire


Im Lebenszyklus des N64 sind zwar knapp 400 Spiele herausgekommen, was zunächst einmal nicht nach wenig klingt. Doch für die PlayStation brachten die Entwickler weltweit sage und schreibe über 2000 Titel heraus – mehr als fünf Mal so viel wie für Nintendos Konsole. Bekanntlich gilt allerdings, dass Qualität wichtiger als Quantität ist, und so hat das N64 nicht wenige unangefochtene Klassiker hervorgebracht: „Banjo-Kazooie“, „Donkey Kong 64“, „F-Zero X“, „Goldeneye 007“, „Majora's Mask“, „Mario Party“, „Ocarina of Time“, „Paper Mario“, „Super Mario 64“, „Super Smash Bros.“ – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.


Auch eine Reihe interessanter Zubehörteile ist für das N64 erhältlich gewesen. In den Extension Port auf der Rückseite des Controllers lassen sich beispielsweise das Controller Pak zum Aufzeichnen von Spielständen, das selbsterklärende Rumble Pak oder das Transfer Pak einstecken, mit dessen Hilfe Daten zwischen N64 und Game Boy transferiert werden können. Erwähnenswert ist außerdem das Expansion Pak, das in die Konsole selbst eingesteckt wird und den Arbeitsspeicher von vier auf acht Megabyte erhöht.


In den meisten Spielen ermöglicht das Expansion Pak eine bessere Grafik oder weitere Spielmodi. Zwingend erforderlich ist es bloß für drei Spiele – „Perfect Dark“, „Majora's Mask“ und „Donkey Kong 64“, und bei Letzterem bloß, damit ein nicht behebbarer Programmierfehler nicht auftritt.


Die Verkaufszahlen: Eine Talfahrt


Im Vergleich zu NES, SNES oder Game Boy, die über zehn Jahre lang mit neuen Spielen versorgt worden sind, war der Lebenszyklus des N64 relativ kurz. Bereits 2001, als das System erst fünf Jahre alt war und der GameCube als Ablösung herauskam, erschienen kaum noch neue Titel, wohingegen für das NES noch 1994 eine Handvoll Spiele veröffentlicht wurde. Der vulgäre Rare-Klassiker „Conker's Bad Fur Day“ von 2001 war quasi der Schwanengesang des N64. Mit „Tony Hawk's Pro Skater 3“ kam 2002 bloß ein einziges und damit das letzte N64-Spiel heraus. 2003 schließlich stellte Nintendo die Herstellung der Konsole ein.


Laut offiziellen Angaben von Nintendo ging das N64 weltweit insgesamt knapp 33 Mio. Mal über die Ladentheken. Zum Vergleich: Das NES verkaufte sich 62 Mio., das SNES 49 Mio. Mal – es ist ein deutlicher Abwärtstrend erkennbar. In Japan und Europa war das N64 mit je ungefähr sechs Mio. Verkäufen sogar nur moderat erfolgreich, in Amerika hingegen setzte Nintendo es 20 Mio. Mal ab. Die Zentrierung auf den westlichen, besser: den amerikanischen Markt hat sich durchaus ausgezahlt.


223 Mio. N64-Spiele wurden weltweit verkauft, womit ein durchschnittlicher Konsolen-Besitzer auf etwa elf Spiele kam. Auch das war deutlich niedriger als zu Nintendos Hoch-Zeiten, denn für das NES waren seinerzeit mehr als doppelt so viele Titel verkauft worden.

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Das N64 mit unten angeschlossenem Disc-Drive-System. Es gibt frappierende Ähnlichkeiten zwischen Disc Drive und dem ein Jahrzehnt älterem Famicom Disc System: Beide nutzen Disketten, werden unter das Hauptsystem gesteckt, waren nur in Japan erhältlich, boten einen Online-Service, sollten die Hauptkonsole wegweisend erweitern und erwiesen sich auf dem Markt letztlich als obsolet. (Bildquelle)


Das N64 Disc Drive


Ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des N64 haben wir aber noch nicht angesprochen: Das Disc Drive. Bereits für das Famicom brachte Nintendo ein Disketten-Laufwerk heraus, das Famicom Disc System, und für das SNES hatte der Konzern immerhin entsprechende Pläne – Stichwort „Nintendo Play Station“. Nun setzte das N64 abermals auf Module statt auf Disks. Weil das schon lange vor der Veröffentlichung der Konsole für viel Wirbel sorgte, kündigte Konzernchef Hiroshi Yamauchi bereits Ende 1995 ein Add-on-Gerät an, welches das N64 mit beschreibbaren Disks kompatibel machen sollte.


Damals hieß es, das Gerät solle noch Ende 1996 erscheinen. Ende 1996 wurde es aber erst einmal enthüllt und sollte dann Ende 1997 herauskommen. Das Gerät erhielt den Namen N64 DD – „DD“ stand ursprünglich für „Dynamic Drive“, bedeutet aber auch „Disc Drive“. Es nutzt magnetische Disketten, die viel schneller und günstiger zu produzieren waren als Module. Mit 64 Megabyte boten sie zudem mehr Speicherplatz, allerdings war ihre Lesegeschwindigkeit um Einiges geringer. CD-ROMs hatten natürlich noch mehr Speicherplatz, waren allerdings auch langsamer zu lesen und nicht beschreibbar. Disketten waren für Nintendo also der beste Kompromiss zwischen Modulen und CD-ROMs.


Misserfolgreicher Messias


Das N64 DD sollte jene Dritthersteller zurückgewinnen, die der Konsole wegen des Modulmediums den Rücken zugewandt hatten. Auch einige hauseigene Nintendo-Spiele sollten exklusiv für das Diskettenlaufwerk erscheinen, allen voran „Zelda: Ocarina of Time“ und „Mother 3“. Doch die Peripherie war bereits 1995 veraltet, da handelsübliche ZIP-Diskettenlaufwerke für den PC viel größere Speichermengen umfassten.


Es folgte eine Vielzahl an Verschiebungen, in deren Folge das N64 DD erst Ende 1999 auf den Markt kam. Zu dieser Zeit hatten N64-Module in etwa den gleichen Speicherumfang wie die DD-Disketten erreicht – die Peripherie war in dieser Hinsicht obsolet geworden. Allerdings bot sie noch zwei weitere wichtige Neuerungen gegenüber dem N64: Eine Echtzeit-Uhr – das war damals noch eine absolute Neuheit bei einer Konsole! – sowie den Netzwerk-Service Randnet. Bereits für Famicom und Super Famicom hatte Nintendo Online-Services angeboten, die allerdings wenig erfolgreich waren, und auch auf dem N64 DD sah das nicht anders aus.


Das änderte nichts daran, dass das Hauptargument für das N64 DD inzwischen überholt war und das Gerät Jahre später als geplant erschien. Es war quasi eine Totgeburt. Ausschließlich in Japan kam es jemals heraus, und zwar im Dezember 1999 – zu einem Zeitpunkt also, zu dem sich der Lebenszyklus der Hauptkonsole langsam dem Ende zuneigte. Die Peripherie hielt sich nur wenige Monate auf dem japanischen Markt und war derart erfolglos, dass Nintendo nicht einmal offizielle Verkaufszahlen bekanntgab.

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„Mother 3“ erschien zwar letztlich für den Game Boy Advance, doch die nie veröffentlichte Fassung für das N64 DD ist dennoch ein großer Verlust. Auch Titel wie „Super Mario 64 2“ oder „Fire Emblem 64“ erblickten wegen des DD-Flops nie das Licht der Welt; zu diesen existieren nicht einmal Screenshots.


Das Vermächtnis des Disc Drive


Alle je veröffentlichten DD-Spiele lassen sich an zwei Händen abzählen. Die Liste der abgebrochenen Projekte hingegen ist lang – das mysteriöse Nintendo-Projekt „Cabbage“, „Fire Emblem 64“, „Mother 3“, „Super Mario 64 2“ und „Ura Zelda“ sind nur ein paar Beispiele. Hinzu kommen viele Titel, die stattdessen als Modul erschienen, etwa „Donkey Kong 64“, „Mario Party 2“, „Paper Mario“ oder „Majora's Mask“. Vor Kurzem gelangte ferner eine unveröffentlichte Disketten-Version von „Super Mario 64“ ans Tageslicht, die mit der handelsüblichen Modul-Fassung im Übrigen identisch ist. Sehr schmerzhaft war seinerzeit auch der Verlust von „Dragon Quest VII“, das als N64DD-Exklusivspiel angekündigt wurde, stattdessen aber seinen Weg auf die PlayStation fand. Immerhin folgte Jahre später ein Remake für den 3DS, in dessen Genuss wir auch bald endlich kommen werden.


Die wichtigsten N64-DD-Spiele sind die vier veröffentlichten Teile von Nintendos Kreativ-Serie „Mario Artist“ (einige weitere geplante Teile wurden abgebrochen). Diese Spiele machten auch extensiven Gebrauch des Randnet-Service. Sie waren der wichtigste Kaufgrund für das N64 DD, doch wie dessen Geschichte zeigt, konnten sie es auch nicht retten. – Etwas genauer mit den nicht uninteressanten „Mario Artist“-Spielen setzten wir uns im Rahmen eines früheren Berichtes auseinander.


Fazit


Damit sind wir am Ende unserer kleinen Trilogie angekommen. Ab 2001 gehörte das N64 endgültig zum alten Eisen und wurde durch den GameCube abgelöst. Nintendos Heimkonsole der fünften Generation hatte alles in allem eine ambivalente Wirkung. Der Hype, die Erwartungen, die Verheißungen im Vorfeld waren groß, und hauptsächlich durch Nintendos eigene Spiele trug die Konsole tatsächlich entscheidend zur Entwicklung des Spielemarktes bei. Doch die Entscheidung, auf Module zu setzen – obgleich sie mittelfristig gesehen sicher sinnvoll war –, brach dem N64 schließlich das Genick. Das Erweiterungs-Gerät, das genau dieses Manko aufheben sollte, scheiterte kolossal.


Am Ende steht eine Konsole, die einerseits viele Dritthersteller von Nintendo getrennt hat, dem Konzern starke Verluste im Heimkonsolen-Bereich beschert hat und den Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Doch andererseits erschienen auf ihr einige Spiele, die noch heute zum Nonplusultra der Industrie gehören, sie brachte die Branche als Ganze voran und hinterließ Spuren im Herzen unzähliger Gamer weltweit.

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(Bildquelle)


Hauptquellen für die ersten Absätze: Steve L. Kent: The Ultimate History of Video Games, 2001, S. 531–539; Leonard Herman: Phoenix: The Rise & Fall of Video Games, 2001, S. 239–243; Hauptquelle für den N64-DD-Teil: IGN: Everything About the 64DD, 9. Februar 2001; weitere Quellen im Text verlinkt.


In unserer jeden zweiten Sonntag erscheinenden Rubrik „Inside Nintendo“ berichten wir über die Geschichten hinter Spielen, Serien, Konsolen, Studios und Personen rund um Nintendo. Eine Übersicht aller bislang veröffentlichten Ausgaben ist unter diesem Link zu finden.