Heute haben wir ein ganz besonderes Interview aus unserer Nachgefragt bei ... - Reihe für euch. Diesmal hat sich Michael Kikuchi, freischaffender Übersetzer in der Videospielbranche, unseren Fragen gestellt und plauderte mit uns ein wenig über die Freuden seines Jobs und wie er überhaupt dazu gekommen ist. Wir wünschen euch viel Spaß!

Hallo Michael, stelle dich doch bitte unseren Lesern vor.
Hi Leute! Ich komme ursprünglich aus Mönchengladbach und bin vor ca. vier Jahren nach Japan ausgewandert. Ich arbeite als freischaffender Übersetzer in der Videospielbranche und bin vor einiger Zeit von Tokyo nach Osaka umgezogen.
Wie muss man sich deine Tätigkeiten als freischaffender Übersetzter vorstellen?
Wie alle Berufe hat auch dieser seine Vor- und Nachteile. Das wohl Beste daran ist, dass ich zu Hause arbeiten kann und nicht täglich zur Arbeit pendeln muss. In der Regel wird alles per E-Mail erledigt. Die Kunden schicken mir die Projekte nach Hause, ich arbeite diese ab und schicke sie innerhalb der gegebenen Frist wieder zurück. Leider sehen wir als Übersetzer die Spiele nicht immer im Voraus. Vieles wird auf gut Glück übersetzt. Die Tester müssen dann hinterher eventuell den einen oder anderen Text dem Spiel anpassen. Manchmal wird auch vor Ort übersetzt. Dann sitzt man meistens in der Nähe zu den Programmierern und kann Fehler schneller verbessern und auch mal Ideen einfließen lassen.
Wie bist du zu diesem Beruf gekommen?
2006 wollte ich eigentlich eine lange Asien-Rundreise machen und mir dann überlegen, wo ich mich später dann niederlasse. Nach einigen Monaten bin ich auf eine Anzeige gestoßen, in der eine Lokalisierungsfirma einige Deutsche für ein 2-Monatsprojekt benötigte. Ich wurde prompt eingestellt und tja, das war es dann mit meiner Rundreise. Seitdem hab ich an über 100 Projekten gearbeitet und bin in Japan hängengeblieben.
Zuletzt hast du für Hatena Flipnote Studios“ auf dem Nintendo DS übersetzt. An welchen anderen Spielen hast du zuvor gearbeitet?
Ich bin zum Beispiel in den Spielen Street Fighter IV und Okami in den Credits. Hauptsächlich habe ich an vielen MGS-Teilen mitgearbeitet und einige, die ich aufgrund von Stillhaltungsverträgen nicht nennen darf.
Welche Flipnotes sind deine persönlichen Favoriten?
Am liebsten sind mir Stickfight-Videos. Die sind immer toll animiert und voller Action.
Meine Zeichnungskünste liegen auf dem Niveau eines Maulwurfs. Ich hab da echt kein Talent für und bewundere jeden, der ein flüssiges Video zustande bringt.
Ständig beschweren sich Spieler darüber, dass die Lokalisierungen viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Wie lange dauert eine solche Übersetzung denn überhaupt?
Das kann man so allgemein nicht beantworten. Facebook-, Handy- oder iPhone-Spiele sind in der Regel in einem Tag abgearbeitet. Aufwendige MMORPGs können auch mal Monate dauern. Die Lokalisierung dauert in der Regel aber nicht so lange. Ich habe zum Beispiel Titel übersetzt, die über 1 Jahr nach Fertigstellung immer noch nicht veröffentlicht wurden. Häufig sind es eher Kostengründe oder marketingtechnische Gründe, die eine Verzögerung nach sich ziehen. Wenn ein Kracher im Sommer bereits fertig ist, wartet man vielleicht auch gerne mal noch ein halbes Jahr, um im Weihnachtsgeschäft etwas mehr abzuräumen. Wir als Übersetzer sind häufig im Zeitdruck. Die Jobs trudeln auch mal nachts ein und 10-15.000 Wörter müssen auch mal in 2 Tagen fertig sein. Nach einigen Monaten kommen dann auf einmal Änderungen und man fragt sich, warum man den Text vorher so schnell fertig machen musste?! Es gibt also sicherlich viele
Gründe dafür.
Gibt es bestimmte Rituale, die du vor dem Übersetzen ausübst? Spielst du die Titel beispielsweise immer zuerst komplett durch, bevor du dich an die Übersetzung machst?
Ohne Internet geht gar nichts. Wenn keine Informationen vom Kunden mitgeschickt werden, suche ich mir zuerst Infos zum Spiel oder eventuell dem Vorgänger. Wenn es zum Beispiel ein japanisches Spiel ist, besorge ich mir immer das Original und zocke es so gut wie möglich. Leider fehlt dazu aber aufgrund der knappen Deadlines die Zeit. Manchmal schickt der Kunde auch mal ein Playthrough-Video oder eine Rezension des Spiels mit den wichtigsten Infos zu den einzelnen Abschnitten. Das ist aber eher die Ausnahme.
Wie frei dürfen Übersetzungen heutzutage sein? Viele erinnern sich nur allzu gerne an die Lindenstraßen-Erwähnung in „Secret of Mana“ auf dem SNES.
Westliche Kunden sind da viel lockerer. Man kann dort eher vom Original abschweifen und den Text freier übersetzen. Bei japanischen Kunden ist das fast nicht möglich. Wenn ich zum Beispiel statt "Was geht?" mal "Was geht ab?" nehme, nur um nicht immer das Gleiche zu schreiben, kommt meist sofort die Rückfrage, warum der Text verändert worden ist und dass ich das bitte unterlassen soll. Das ist manchmal echt anstrengend. Öfters fällt es uns als Übersetzer oder Editor auf, dass Texte mit Hilfe eines Onlinetools übersetzt worden sind oder dass die japanischen Projektmanager oder Programmierer mal schnell selber etwas ausfüllen, indem sie es aus dem Wörterbuch kopieren oder aus einem anderen Text per Copy/Paste austauschen. Da die japanische Grammatik und deutsche Grammatik gänzlich verschieden ist, geht das leider nicht so einfach. Aber das scheint die guten Herren und Damen nicht davon abzuhalten.
An welchen Übersetzungen arbeitest du momentan?
Im Moment arbeite ich an Kampagnen für die Flipnote Hatena Webseite und einigen iPhone und iPad-Spielen. Vor kurzem habe ich an einer erfolgreichen japanischen Serie für den Nintendo DS gearbeitet. Da das Spiel aber noch nicht veröffentlicht wurde, darf ich dazu leider keine genaueren Angaben machen. Es wird aber auf jeden Fall wieder ein Topseller.
Auf welche Videospiele freust du dich persönlich in der Zukunft?
Ich bin ein großer Fan von Ego-Shootern und Open-World-Spielen. Vor kurzem habe ich mir noch eine zweite PS3 für mein Büro gekauft, so dass ich nicht immer ins Wohnzimmer rüber muss. Ich habe allerdings auch viele Titel zu Hause, an denen ich zwar mitgearbeitet habe, aber persönlich total bescheiden finde. Die verstauben dann schön in der Ecke. Da ich berufsbedingt natürlich alle Konsolen besitzen muss, habe ich eine große Anzahl an Games für PS3, Xbox 360, Wii, DS, PSP und auch etliche Retro-Konsolen. Daher kaufe ich mir auch in der Regel ca. 5 Spiele pro Monat, entweder aus Recherche-Gründen oder einfach weil ich das Spiel toll finde. Super Mario Galaxy 2, Fallout: New Vegas, Dead Rising 2 und COD: Black Ops werden dieses Jahr auf jeden Fall blind gekauft.
Welche Titel werden bei Hatena momentan am häufigsten gespielt?
Unser Hauptprogrammierer spielt seit Monaten nur Modern Warfare 2 auf seiner Xbox. Laut seiner Aussage, ist das Spiel so genial, dass er für kein anderes Spiel mehr Zeit hat. Metal Gear Solid Peace Walker wird auch gerne gespielt, wobei die Mädels besonders auf Monster Hunter abfahren. Es vergeht übrigens kaum eine Bahnfahrt, an dem ich nicht mindestens eine Person sehe, die Monster Hunter im Zug spielt. Ansonsten ist die Super Robot Wars-Serie auf dem DS ein absoluter Verkaufsschlager in Japan.
Wird es noch weitere Spiele in Zusammenarbeit mit Hatena geben?
Hatena arbeitet zurzeit daran, den aktuellen Service Flipnote Hatena für Benutzer in Europa noch attraktiver zu machen. In den nächsten Wochen und Monaten gibt es noch einige tolle Überarbeitungen für unsere Mitglieder. Ein Spiel ist aber im Laufe des Jahres wohl unwahrscheinlich.
Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?
Vielen Dank für Euer Interesse! Ich freue mich über jeden Leser, der sich die Zeit genommen hat, dieses lange Interview durchzulesen. Ich wünsche Euch allen viel Erfolg und an jeden dessen Traum es ist in der Videospielbranche zu arbeiten: Lasst Euch nicht unterkriegen!
Vielen Dank für das Interview!