Was haben die Spiele New Super Mario Bros U“, „Donkey Kong Country Tropical Freeze“ und neuerdings auch „Mario Kart 8“ gemeinsam? Offensichtlich stammen alle Spiele von Nintendo. Außerdem handelt es sich ausschließlich um Wii U-Titel. Übrigens erhielten alle Titel bei uns eine Top-Wertung von neun Punkten und gehören somit zu den besten Spielen, die die Wii U zu bieten hat. Spiele die beispielhaft für das Nintendo Seal of Quality stehen. Dennoch ist es nicht das, worauf ich hinaus möchte. Wenn ich mir Meinungen und Rezensionen zu besagten Spielen durchlese, fällt im Regelfall immer dasselbe Fazit: Es handelt sich um ein fantastisches Spiel, wie wir es von Nintendo kennen und schätzen, doch es fehlt das gewisse Etwas, es hat nicht klick gemacht, oder: Wo bleibt der Mut zu neuen Ideen?

Auf Bananen starren hilft da auch nicht weiter, Mr. Iwata!
Erfolgsformel vs. Innovation
Es handelt sich um kein neues Problem. Bereits in den letzten Monaten der Wii zeichnete sich die Problematik ab, als wir mit etlichen Jump’n’Runs übersät wurden, die nach dem erfolgreichen „New Super Mario Bros.“-Schema einen Mehrspieler-Modus implementiert hatten. Das Gefühl bleibt und wird mit jedem Spiel einfach stärker, dass Nintendo die Schublade öffnet, Erfolgsformel XY herauszieht und ein neues Top-Spiel aus dem Linken Ärmel hervorzaubert. Mir ist durchaus bewusst, dass sich dasselbe Schema auch auf andere Publisher anwenden lässt. Um nur wenige zu nennen: Activision und die bislang von anderen Shooter unerreichte „Call of Duty“-Erfolgsformel, Ubisoft mit „Assassin’s Creed“, das einfach immer geht oder EA mit dem fünfzehnten Lizenz-Aufguss der „FIFA“-Reihe. Dennoch stelle ich Nintendo ungern auf dieselbe Stufe, schließlich wird dem Unternehmen bis heute nachgesagt, dass sie die Videospiellandschaft geprägt, die Videospielgeschichte mitgeschrieben und das Medium massentauglich gemacht haben – und das zu Recht, oder gibt es an dieser Stelle tatsächlich Einwände?
Warum nicht etwas neues probieren?
Nehmen wir der Aktualität wegen einfach „Mario Kart 8“ als Beispiel. „Mario Kart 8“ wird fantastisch, nein es ist fantastisch. Möglicherweise ist es auch das Beste „Mario Kart“-Spiel, das bislang veröffentlicht wurde. Dennoch fehlte mir nach meiner Spielzeit einfach die Kirsche auf der Torte, das gewisse Etwas, weshalb ich sagen würde „nach diesem Spiel ist alles anders“. Mir ist bewusst, dass innovative und revolutionäre Ideen nicht einfach vom Himmel fallen. Als beinahe lebenslanger Nintendo-Fan stöhne ich mit Sicherheit auch auf hohem Niveau, doch der Eindruck, dass ich das alles schon einmal gesehen habe, wird mit jedem neuen Spiel weiter verfestigt. Wie schon oben angesprochen, kann ich das gleiche aber auch von anderen Spiele-Reihen behaupten. An keiner dieser Hersteller kann ich jedoch den gleichen Anspruch wie bei Nintendo stellen, dass sie gefälligst den Mut zeigen, etwas Neues auszuprobieren.
Ein drittes „Donkey Kong Country“ könnte mich wahrscheinlich nicht mehr hinter dem Ofen herlocken. Viel zu sehr fühlte ich mich bei „Tropical Freeze“ an den Vorgänger erinnert. Nicht ohne Grund schweift mein Blick immer häufiger rüber zu den Indies. Hier finde ich die mutigen und klugen Einfälle, die ich derzeit bei den großen Herstellern und insbesondere Nintendo vermisse. Selbst wenn besagte Indie-Spiele meist nur für kurze Zeit begeistern können, die Spiele nicht ausgereift sind, einfach weil den Entwicklern das Geld und die Erfahrung fehlen, sind diese Ausflüge für mich weitaus spannender als alles andere was dieses Jahr bislang im Laufwerk meiner Konsolen rotierte.

Mario Kart 8 ist fantastisch, aber mir fehlt das gewisse etwas.
Lieber auf Nummer sicher gehen
Eine der wohl größten Enttäuschungen dieses Jahres seitens Nintendo ist wohl das 3DS-Jump’n’Run „Yoshi’s New Island“. Verbinden die älteren Hasen mit dem Super Nintendo-Klassiker „Yoshi’s Island“ unterhaltsame Spielstunden und sehen es als eines der besten Jump’n’Runs bis heute an, ging der 3DS-Ableger aufgrund akuter Ideenarmut zurecht unter. Nur weil Yoshi jetzt ein besonders großes Ei abfeuern kann, hat man nicht gleich das Rad neu erfunden. Ähnliche Parallelen lassen sich auch bei anderen Spielen finden, wie „Donkey Kong Country Tropical Freeze“, das detailreiches Gorilla-Fell und 3D-Spielereien als die Innovationen überhaupt verkaufen wollte. Der Unterschied zwischen „Yoshi’s New Island“ und „Donkey Kong Country Tropical Freeze“? Letzteres spielt noch einmal in einer ganz anderen Liga als sein Kontrahent, weshalb man über derartige Ideen-Armut besser hinwegsehen kann als bei „Yoshi’s New Island“.
Andererseits muss man Verständnis zeigen: Jedes Großunternehmen will und muss Gewinne erzielen. Wenn die Spielprinzipe von „Call of Duty“, „Assassin’s Creed“, „FIFA“ oder eben „Mario Kart“ jedes Mal aufs Neue fruchten, warum sollte man nicht daran festhalten? Dass Nintendo bei großen Marken wie „Mario Kart“ also auf Nummer Sicher geht und daher lediglich etwas Feintuning vornimmt oder vorsichtig neue Funktionen implementiert, ist aus diesem Blickwinkel durchaus verständlich. Der langjährige, treue Fan bleibt so aber gelangweilt auf der Strecke.
Wenn die sogenannten AAA-Reihen aber schon unangetastet bleiben, dann wünscht man sich doch, dass eben an anderen Stellen fleißiger experimentiert wird. Was spricht dagegen eine gute Idee als selbstständiges Spiel umzusetzen und dem Titel eine Chance zu geben? – fehlender Mut ist das Fazit auf das ich komme. Speziell in der derzeitigen misslichen Wii U-Lage könnte Nintendo nichts geringeres gebrauchen, als ein Spiel, das aus dem Nichts kommt und von Anhieb begeistert. Genau das kann aber nur dann klappen, wenn man sich endlich dazu traut, etwas Neues auszuprobieren. Es wäre doch nicht einmal nötig, ein ganz neues Franchise aus dem Boden zu stampfen. Nintendo sitzt auf etlichen, in Vergessenheit geratenen Reihen. Was spricht dagegen, sich bei einer passenden Reihe zu bedienen und mit einer frischen, neuen Idee wiederzubeleben?

Mit Kid Icarus: Uprising machte es Nintendo bereits vor. Bitte mehr davon!
Brechen mit alten Konventionen
Um fair zu bleiben: Zumindest im eShop und auf dem 3DS zeigt Nintendo sich selbstbewusster und mutiger. Nennen wir doch einfach mal „Pullblox“, „NES Remix“ oder „Dillon‘s Rolling Western“. Diese Titel versuchen sich an neuen Konzepten, werden von Nintendo aber viel zu stiefmütterlich behandelt. Es handelt sich eben doch „nur“ um kleine Download-Titel, die von der breiten Masse zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt bekommen. Einen guten Ansatz für eine komplett neue Reihe stellte das letztes Jahr erschienene „The Wonderful 101“ dar, das sogar durchaus gute Kritiken hielt. Scheinbar wusste Nintendo aber selbst nicht, wie sie das Spiel am besten an den Mann bringen sollten. Mit ernüchternden Verkaufszahlen wurde so ein eigentlich gutes und vor allem mutiges Spiel zum Nischentitel. Immerhin „The Legend of Zelda: A Link Between Worlds“ traute sich an neue Ideen, brach Konventionen der Reihe, von denen man gedacht hatte, dass sie längst fest in Stein gemeißelt seien und wurde dementsprechend von Kritikern und Spielern gelobt und belohnt.
Warum ich diesen Artikel ausgerechnet jetzt schreibe? Die E3 steht kurz vor der Tür und erst kürzlich wurde uns durch Satoru Iwata versprochen, dass man auf der Messe Spiele vorstellen werde, die „ausschließlich mit dem Wii U GamePad möglich seien“. Ein ziemlich großes Versprechen, weshalb ich meine Vorfreude und Erwartungen bereits fleißig herunterschraube. Man lernt dazu und umso kleiner die Erwartungen sind, desto größer schlagen die Überraschungen ein. Ich werde auf alle Fälle gespannt abwarten und hoffen, dass Nintendo all seinen Mut tatsächlich zusammen nimmt, sich von bewährten Erfolgsformeln los reißt und uns mit neuen Ideen beglückt.