Allerlei Fachliteratur rund um Nintendo haben wir euch in den letzten Monaten vorgestellt. Nun ist das vorerst letzte Buch dran. Wie schon bei den letzten beiden Berichten handelt es sich um ein Buch aus dem Hause Pix'n Love Publishing – ein kleiner, wenig professioneller Verlag, dessen Bücher inhaltlich umso hochwertiger und wertvoller sind.

Die wahre Geschichte von Super Mario“
„Super Mario“ ist der Name der bedeutendsten Videospielreihe aller Zeiten. Ihre Geschichte ist eigentlich all jenen hinreichend bekannt, die sich dafür interessieren. Sicher, viel gesonderte Literatur zu ihrer Geschichte gibt es nicht. Aber wozu auch – wo doch alles bereits bekannt ist und jede größere Videospielwebseite bereits ihre eigene „Mario“-Retrospektive verfasst hat?
Nun, der Autor dieser Zeilen, der sich durchaus als Experte in Sachen Geschichte der „Super Mario“-Reihe verstanden haben möchte, staunte während der Lektüre von „The History of Mario“ Bauklötze ohne Ende. Wie viele Missverständnisse, wie viele Fehlinformationen und schlicht auch wie viel nicht mehr bekanntes Wissen dessen Autor William Audureau aufdeckt, ist beispiellos.
Nur um einige Beispiele zu nennen: „Mario Bros.“ und „Donkey Kong 3“ waren ursprünglich Game & Watch-Spiele und wurden erst später in abgewandelter Form in ihren heute bekannten Arcade-Varianten veröffentlicht. „Super Mario“-Erfinder Shigeru Miyamoto integrierte seine Schöpfung aus Eitelkeit zunächst in zahlreichen Spielen, hatte aber später keinerlei Intention, sie in „Super Mario Bros.“ zu nutzen. „Super Mario Bros.“ und „The Legend of Zelda“ waren zunächst ein und das selbe Spiel. „Donkey Kong“, „Mario Bros.“ und „Super Mario Bros.“ wurden direkt nach ihrer Veröffentlichung alles andere als positiv aufgenommen.
Die „Super Mario“-Monografie
Das waren jetzt einige sehr willkürlich angeordnete Beispiele. Sie möchten aussagen: Unser bisheriges Wissen über die Geschichte der „Super Mario“-Reihe ist extrem löchrig und ignoriert fast vollständig die zeitgenössische Rezeption dieser Spiele. Ein Glück, dass der Videospieljournalist Audureau nicht nur allseits bekanntes Material zu Rate zog, sondern in investigativer Recherche auch den wahren historischen Kontext der Spiele aufdecken konnte.
Indem er detailliert wie noch nie zuvor beschreibt, was die kreativen Köpfe zu der Entwicklung der einzelnen „Mario“-Spiele getrieben hat, und noch dazu quasi zum ersten Mal überhaupt deren Rezeption mit einfließen lässt, kann Audureau erstmals beantworten, wie genau die „Super Mario“-Reihe jene Erfolge erreichen konnte, die sie Anfang der 1990er Jahre erreichte. Immerhin war sie damals ein größeres Idol als etwa Micky Maus. Und soviel sei gesagt: Unser Mario hat im Laufe seiner Geschichte verdammt viel Glück gehabt. In den ersten Jahren seiner Existenz wurde er von der Öffentlichkeit gar nicht erst beachtet.

Nicht vollständig
400 Seiten voller Text, aufgelockert durch zahlreiche Schwarz-Weiß-Bilder, widmete Audureau der Historie von Super Mario. Und dabei beschäftigt er sich nur mit der ersten Dekade von Marios Existenz – also von „Donkey Kong“ bis „Super Mario World“. Äußerst schade, finden wir, aber Audureau zufolge hätte eine Fortsetzung seines Werkes bis in die Gegenwart einen nahezu unendlichen Rechercheaufwand bedingt. Andererseits sind ja gerade die Anfänge der Serie der interessanteste Abschnitt ihrer Geschichte.
Ein bisschen ungleichmäßig mutet die Einteilung des Buches zu. Während den größten Meilensteinen der Serie, „Donkey Kong“ und „Super Mario Bros.“, je weit über 100 Seiten gewidmet werden, handelt Audureau „Super Mario Bros. 3“ und „World“ zusammen in gerade einmal einem Kapitel ab.
Der Pix'n Love-Faktor
Soviel zum Inhalt. Doch wie sieht's bei der Präsentation aus, die bei den vorherigen Werken von Pix'n Love äußerst billig wirkte? Nun, „The History of Mario“ ist in dieser Hinsicht das bislang hochwertigste Werk des Verlags. Kein billiges plastik-artiges Papier, kein abstrus-absurdes Layout voller bunter, irritierender Bilder: Die Gestaltung des Buches ist herkömmlich und einfach, ordentlich und übersichtlich. Zudem mussten wir uns nicht fürchten, dass wieder Seiten aus dem Buch hinausfallen. Schwein gehabt.
Dennoch wurde auch hier beim Lektorat geschlampt. Sicher, es handelt sich wieder um eine Übersetzung aus dem Französischen. Dennoch fallen selbst dem Nicht-Englischmuttersprachler zahlreiche Sprachfehler auf. Hinzu gesellen sich unzählige Tippfehler und andere Flüchtigkeitsfehler. Wohl ist dies aber nicht so dramatisch wie bei den beiden „The History of Nintendo“-Büchern!
Im Stile eines wissenschaftlichen Werkes arbeitete Audureau sogar mit Fußnoten, aus denen ersichtlich wird, woher er sein Wissen hat. Leider ist dies nicht ganz durchgehend gelungen, sodass es zahlreiche Stellen gibt, deren Informationen wir gerne überprüft oder weiterverfolgt hätten, wo aber keine Fußnote in Sicht war.

Foto: Zena3301
Fazit
„The History of Mario“ mag zwar nur die ersten zehn Jahre der Karriere unseres Lieblingsklempners behandeln – und doch schreibt es damit dessen Historie völlig neu. Formal haben sich zwar wieder viele Fehler oberflächlicher Natur eingeschlichen, verglichen mit anderen Werken von Pix'n Love Publishing ist das aber diesmal noch akzeptabel. Aus inhaltlicher Sicht gibt’s somit nichts zu meckern; jeder Interessierte sollte sich dieses Buch zulegen. Doch hier kommt der Haken: Von der englischen Fassung sollen laut Angabe des Verlags nur 500 Exemplare existieren. Da das Buch unverdienterweise bislang nur rudimentäre Aufmerksamkeit fand, ist es derzeit noch für 29 Euro auf der Verlagswebsite zu erstehen. Danach dürfte es schwer werden, an das Buch zu kommen. Sehr schade. Interessenten sollten sich diese Chance daher nicht entgehen lassen!